Acht der zweitgrößten Großkatzen leben im Hamburger Tierpark. Der fünfjährige Löwenmann Naviri ist ein launisches Exemplar.

Hamburg. Drei Frauen? Wofür ein wahrer Herrscher der Savanne wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln übrig hätte, das ist für Naviri ein täglicher Kampf. "Er ist ziemlich überfordert mit seinen drei Weibchen", sagt Tony Kershaw und grinst. Obwohl dem Reviertierleiter im Tierpark Hagenbeck manchmal das Lachen auch vergeht, wenn der fünfjährige Löwenmann seine schlechte Laune an Kershaw auslässt. "Er ist ziemlich aggressiv mir gegenüber", sagt der Tierpfleger. Wachsamkeit ist nicht nur deshalb oberstes Gebot im Umgang mit den großen Raubkatzen. Auch wenn heute keiner in Stellingen mehr direkten Kontakt zu den Tieren hat. Doch das war nicht immer so.

Für die Löwenschlucht, die heute unter Denkmalschutz steht, nahm Tierparkgründer Carl Hagenbeck vor der Eröffnung 1907 höchst persönlich und mit einem tierischen Assistenten Maß: seinem zahmen Lieblingslöwen Triest. "Er ließ ihn zwischen zwei Podesten hin- und herspringen, und nach jedem Sprung schob er die Podeste weiter auseinander", erzählt Kershaw. Als Triest das Ziel nicht mehr erreichte, packte Carl Hagenbeck gedanklich noch einen Meter drauf, und ließ den Wassergraben vor der ersten gitterlosen Raubtier-Freisichtanlage der Welt sieben Meter breit bauen. Kershaw: "Dazu kommt noch ein tiefer Laufgraben vor dem Gehege. Der nimmt ihnen zusätzlich eine gute Absprungposition."

So kommt es, dass zwar immer einmal wieder ein Löwe kläglich im Wassergraben landete - mal einer nach Raufereien untereinander, mal ein Jungtier, das seine Kletterkünste überschätzte -, aber tatsächlich noch nie eine der Großkatzen auf die Seite der Besucher zu springen versuchte.

Acht der zweitgrößten Großkatzen (nur Tiger sind größer, das heißt: vor allem länger) leben im Hamburger Tierpark. Neben Naviri sind das seine gleichaltrige Schwester Taranga, seine Mutter Tambesi und seine Tante Cabora. Dazu kommen vier Löwenkinder (zwei Jungs, zwei Mädels), die im April 2011 geboren wurden. Ihre Mutter ist Tambesi - doch Naviri ist nicht der Vater. Kershaw: "Er glaubt es, und das soll er auch. Denn nur so kümmert er sich um die Kleinen, und wir laufen nicht Gefahr, dass er ihnen etwas antut. Aber natürlich würden wir nicht mit Mutter und Sohn züchten." Da es genug Löwen gäbe, habe man sich generell gegen eine Zucht entschieden, nachdem Naviris Vater gestorben war. Und Naviri kurzerhand die Samenleiter durchtrennt.

Dann erhielt der Tierpark jedoch eine Bestellung für junge Löwen von einem anderen Zoo, und so wurde die erfahrene Mutter Tambesi kurzerhand für vier Wochen auf "Liebesreise" in einen Zoo in Dänemark geschickt. Sie kam tragend zurück, Naviri roch den Braten nicht - und ist heute ein "guter, kumpelhafter Vater", wie Kershaw sagt. Fast eher wie ein großer Bruder - der er ja genau genommen auch ist. Schwester Taranga betreue die Jungtiere allerdings am intensivsten, verrät Kershaw. Ganz nach guter Löwenrudelmanier.

Der Afrikanische Löwe war ursprünglich in ganz Afrika über Vorderasien bis nach Indien verbreitet. Heute leben die Tiere in Afrika südlich der Sahara sowie in einem Naturschutzgebiet auf der indischen Halbinsel Kathiawar. Löwen entstammen einer gemeinsamen Linie mit dem Tiger; die Arten sind untereinander noch heute paarungsfähig und bringen zum Teil fortpflanzungsfähige Nachkommen zur Welt, so genannte Liger. Da sich Löwen und Tiger in ihren heutigen Verbreitungsgebieten nicht mehr überschneiden, kommen diese Hybride nur bei Tieren in menschlicher Obhut zustande.

Einen Tiger hat Naviri noch nicht gesehen. Das wird er auch nicht, denn die haben ihr Gehege auf der anderen Seite des Tierparks. Was er zum Fressen gerne hat, sind Rinder, Schweine und Ziegen, von denen die Löwen an vier Tagen pro Woche saftige Stücke bekommen. Ein Tag ist futterfrei, und nur äußerst ungern essen die großen Katzen Kaninchen und Hühner. Kershaw: "In Federn mögen die Löwen nicht beißen. Dann sieht es hinterher aus wie nach einer Kissenschlacht." Und Naviri hat wieder besonders schlechte Laune.

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