Gerade zur Balzzeit ist mit Schnee-Eule Harry nicht gut Kirschen essen, denn dann verteidigt er sein Weibchen gegen jeden Eindringling - und auch die Tierpfleger.

Hamburg. Es gibt regelrechte Vereinigungen weltweit, die nur danach suchen: Fehler in großen Kinoproduktionen. Die Digitaluhr am Arm eines Cowboys ist der Klassiker, und immer wieder gerne genommen ist auch der sich spiegelnde Kameramann in einer Autoscheibe oder Fensterfront.

Selbst tierische Darsteller sind nicht davor gefeit, enttarnt zu werden - wie das Schimpansenbaby, das in "Gorillas im Nebel" in einem schwarzen Kunstlocken-Anzug den Gorillanachwuchs mimen musste. Oder Hedwig, Harry Potters oftmals schlecht gelaunte Schnee-Eulen-Dame, die in Wirklichkeit ein ganzer Kerl ist - gut zu sehen an ihrem reinweißen Gefieder. Wie Hedwig wirklich aussieht, sehen Sie heute hier - oder in Hagenbecks Tierpark.

Die dunklen Flecken machen den Unterschied. "Die haben alle jüngeren Tiere und die Weibchen", sagt Volker Friedrich. Der Reviertierpfleger hat derzeit zwei Schnee-Eulen in seiner Obhut: Hedwig und ihr Männchen Harry. In einem Gehege gegenüber von den Chinesischen Leoparden fühlen sich die beiden Eulen besonders bei diesem kälteren Wetter äußerst wohl. "Als Bewohner der arktischen Tundren sind sie an Schnee und Kälte angepasst. Im Sommer hecheln sie aber - wir berieseln sie dann mit einem Wassersprenger", sagt Friedrich.

In Island, Nordeuropa, Sibirien, Alaska, Kanada und Grönland kommen die bis zu 66 Zentimeter großen und bis zu 2100 Gramm schweren Vögel in Moor- und Heidegebieten vor. Wobei sie fast die Statur eines Uhus erreichen - zumindest die Weibchen, die, wie bei allen Eulen, größer sind als die Männchen.

"Hedwig und Harry sind gut zehn Jahre alt", sagt Friedrich, "und auch wenn Hedwig größer ist, ist sie die Ängstlichere von den beiden." Gerade zur Balzzeit ist mit Harry nicht gut Kirschen essen, denn dann verteidigt er sein Weibchen und sein Revier gegen jeden Eindringling - auch gegen die Tierpfleger. Friedrich: "Dann können wir nur mit einem Besen zu den beiden reingehen, um ihn auf Abstand zu halten. Manchmal kommt er trotzdem im Sturzflug auf uns zugeschossen." Im Freiland halten sich Schnee-Eulen so auch Polarfüchse vom Hals.

Dass die Füchse überhaupt an die Vögel herankommen, hängt mit der besonderen Lebensweise der Schnee-Eulen zusammen. In Ermangelung von Bäumen in den Tundren leben die Vögel nämlich vorwiegend am Boden. Hier verbringen sie die meiste Zeit auf kleinen Ansitzen, wie etwa Felsbrocken, und warten auf Beute. Verfehlen sie diese im Anflug, laufen die Schnee-Eulen ihren Beutetieren auch schon einmal zu Fuß hinterher. Dabei sorgen ihre "Schneeschuhe" für einen sicheren Tritt und warme Füße auf Eis und Schnee: Schnee-Eulen haben nämlich dicht befiederte Beine und Füße, von denen nur die schwarzen Krallen sichtbar sind.

Auch in ihrem runden Gesicht zeigen Hedwig und Harry keine nackte Haut: Unter den goldgelben bis orangefarbenen Augen ragt der schwarze Schnabel nur sehr schmal aus den weißen Vibrissen - den feinen Federn im Gesicht - hervor. "Das sind schon sehr auffällige und attraktive Eulen, und da sie tagaktiv sind, auch gut für die Besucher zu beobachten", sagt Volker Friedrich. Besonders aktiv sind die Vögel, die im Freiland Lemminge zu ihren bevorzugten Beutetieren zählen, natürlich zur Fütterungszeit. Im Tierpark bekommen sie Mäuse und Eintagsküken - in Maßen. Friedrich: "Die Schnee-Eulen richten die Größe ihres Geleges sehr danach, wie gut das Nahrungsangebot ist. Da dürfen wir es nicht übertreiben, denn jedes Jahr elf Jungtiere abzugeben, wäre eine echte Herausforderung."

So brütet Hedwig in ihrer selbst gescharrten Erdmulde, die nicht einmal von dem Vogelweibchen mit Gras oder Moos ausgepolstert wird, in 32 bis 35 Tagen meist vier Jungtiere pro Jahr aus. Harry unterstützt das Brutgeschäft, indem er seiner Holden das Futter an die Mulde trägt.

Ohne dieses Ritual hätte er sie auch gar nicht erst herumgekriegt: Während des auffälligen Balzfluges trägt das Männchen im Freiland meist einen toten Lemming im Schnabel, den es nach Ende des Balzfluges dem Weibchen vorlegt. "Ohne Futter keine Paarung", ist die klare Devise der Schnee-Eulen-Damen - mag der während des Restjahres ansonsten doch fast stumme Kavalier während der Balz noch so schön gekrächzt und tief "Hu!" gerufen haben.

Liebe geht eben auch bei Eulen durch den Magen.

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