Der Pfeilgiftfrosch ist eines der giftigsten Tiere der Welt. “Zumindest solange er in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet vorkommt.“

Hamburg. Pfeilgiftfrosch. Schon der Begriff löst Beklemmungen aus. Bilder von Jägern in den dunkelgrünen Tiefen des Regenwaldes kommen vor das geistige Auge. Männer, die nach lange überlieferten Ritualen die Metallspitzen ihrer Pfeile mit dem Hautsekret der Frösche präparieren. Und von Beutetieren, die keine Chance haben - eine Berührung mit dem giftigen Pfeil ist ihr sicherer Tod. So ein Pfeilgiftfrosch ist Jerry. Doch bei ihm ist alles ganz anders.

Eigentlich, sagt Dr. Guido Westhoff, sei der Schreckliche Pfeilgiftfrosch, welcher auch Blattsteigerfrosch genannt wird, eines der giftigsten Tiere der Welt - und die giftigste Froschart überhaupt. "Zumindest solange sie in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet vorkommt", schränkt der Leiter des Tropen-Aquariums im Tierpark Hagenbeck ein. Dieses ist ein kleines Gebiet nahe dem Fluss Rio Saija in Kolumbien, nahe der Pazifikküste. Und in Stellingen? "Sind sie ungiftig", sagt Westhoff, und lacht. Den Unterschied machen die Ameisen.

Schreckliche Pfeilgiftfrösche können ihr Hautgift, das zu einer Lähmung der Muskulatur der Opfer und damit auch der Atmung führt, nämlich nicht selbst produzieren. Westhoff: "Sie nehmen das komplette Gift über den Verzehr von bestimmten Ameisen auf und bauen es in ihre Haut ein." Und da es sich bei Tom und Jerry, dem leuchtend gelben Pfeilgiftfrosch-Pärchen, um deutsche Nachzuchten handelt, die noch nie auch nur in die Nähe eines kolumbianischen Regenwaldes gekommen sind und noch dazu nur mit Fruchtfliegen und winzig kleinen Heimchen gefüttert werden, seien die Tiere auch nicht mehr gefährlich. Keine Ameisen, kein Gift.

Gut zu wissen - auch für die Grünen Hundskopfschlinger. Mit diesen Schlangen teilen sich die Pfeilgiftfrösche in der sogenannten Grabkammer ein Terrarium. "Die Hundskopfschlinger sind aber auch Säugetier- und Vogelfresser, die gehen an die Frösche so oder so nicht ran", sagt Westhoff.

Seit Juni 2011 bringen Tom und Jerry Farbe in den Amphibienbestand des Tropen-Aquariums. Ob die beiden ein Pärchen sind, kann der Biologe nicht sagen: "Das kann man den Tieren bisher nicht ansehen, da sie noch nicht ausgewachsen sind." Schreckliche Pfeilgiftfrösche können bis fünf Zentimeter groß werden; Tom und Jerry haben maximal vier Zentimeter Körperlänge erreicht, schätzt Guido Westhoff.

Vielleicht verraten die beiden ihr Geschlecht, wenn man ganz genau hinhört: Männchen verfügen über Schallblasen, von denen sie in der Paarungszeit lautstark Gebrauch machen, um mit Trillerlauten Weibchen anzulocken. Bisher waren solche Laute aber weder von Jerry noch von Tom zu hören. Sollte es einst so weit sein, könnten nicht nur die Laute auf fruchtbaren Boden fallen. Blattsteigerfrösche legen ihre Eier nämlich an Land ab. Die daraus schlüpfenden Kaulquappen, die noch nicht leuchtend gelb, sondern schwarz gefärbt sind, werden von den Männchen auf den Rücken genommen und zum nächsten Gewässer transportiert.

Feucht brauchen es Tom und Jerry aber auch ohne Nachwuchs: "Wir sprühen mehrmals täglich Wasserdampf in das Terrarium, dazu ist es dort 26 Grad warm", sagt Guido Westhoff. Den Schrecklichen Pfeilgiftfröschen scheint das tropische Klima zu gefallen: Sie sind aktiv und auch immer gut zu sehen, sagt Westhoff: "Verstecken müssen sie sich aber auch nicht, denn durch ihre Farbe signalisieren sie allen anderen Arten, dass sie giftig sind." Kann ja keiner wissen, dass Ameisen nicht mehr auf dem Speiseplan der beiden stehen.

Tatsächlich haben die Blattsteiger, die zwar durchaus Pflanzen erklimmen können, generell jedoch bevorzugt auf dem Waldboden leben, nur einen natürlichen Feind: eine Goldbauchnatter namens Leimadophis epinephelus. Sie ist gegen das Gift zwar nicht immun, hat aber eine Resistenz entwickelt. Für alle anderen Lebewesen einschließlich des Menschen ist das Gift der Schrecklichen Pfeilgiftfrösche so giftig, dass die Chocó-Indianer Kolumbiens die Pfeilspitzen ihrer Blasrohrpfeile nur einmal über den Rücken der Tiere streifen mussten, sagt Westhoff. "Andere Arten mussten zu Dutzenden getötet werden, um genug Gift für eine Spitze zusammenzubekommen."

Schön, dass Tom und Jerry nur Spaß machen, diesbezüglich.

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