Die Zahl der Todesopfer liegt offiziell bei 113. Allerdings werden noch zahlreiche Menschen vermisst. Diese lebend zu finden, ist unwahrscheinlich.

Christchurch. Die Angehörigen der seit dem Erdbeben in Neuseeland vermissten Menschen haben sich am Freitag auf das Schlimmste einstellen müssen. „Wir nähern uns dem Ende der Zeitspanne, in der wir noch Hoffnung machen können“, sagte der neuseeländische Außenminister Murray McCully. Drei Tage nach dem Beben zeigte sich die Polizei entsetzt über die große Zahl von Kriminellen, die sich die Katastrophe zu Nutzen machten. Bei strömendem Regen durchstreiften die inzwischen 600 einheimischen und ausländischen Rettungskräfte weiter die zerstörten Viertel der Stadt Christchurch und versuchten, Lebenszeichen zu erhaschen. Nachdem die Suche in den am stärksten betroffenen Vierteln im Zentrum weitgehend abgeschlossen war, nahmen sich die Helfer nun die abgelegeneren Viertel vor, wie Zivilschutzminister John Carter sagte. Möglicherweise seien Menschen zur Mittagspause, als sich das Beben der Stärke 6,3 am Dienstag ereignete, in die Wohngebiete zurückgekehrt und dort verschüttet worden.

Die letzten der insgesamt 70 geretteten Menschen waren jedoch am Mittwoch unter den Trümmern hervorgezogen worden - schon am Donnerstag wurden keine Lebenszeichen mehr entdeckt. „Wir werden in den kommenden Tagen keine guten Nachrichten bekommen“, warnte der Bürgermeister von Christchurch, Bob Parker. 113 Tote wurden bis zum Freitag in eine improvisierte Leichenhalle gebracht, 228 Menschen galten noch als vermisst. Die Zahl der Opfer machte das Erdbeben vom Dienstag zur schlimmsten Katastrophe Neuseelands seit 80 Jahren. „Das sind sehr, sehr düstere Tage für Neuseeland“, sagte Premierminister John Key.

Einige Stadtteile von Christchurch auch am Freitag noch ohne Wasser und Strom. Zahlreiche der teils von den Bewohnern fluchtartig verlassenen Häuser in der 390.000-Einwohner-Stadt wurden ausgeraubt. Die Polizei zeigte sich schockiert angesichts fortdauernder Plünderungen. Sie beklagte zudem Betrügereien wie gefälschte E-Mails mit Spendenaufrufen sowie verstärkte Randale durch Betrunkene.

Zwischen all der Trauer und Hoffnungslosigkeit gab es jedoch auch einen fröhlichen Moment. Emma Howard, die nach dem Beben sechs Stunden unter den Trümmern auf ihre Rettung wartete, gab ihrem Verlobten Chris Greenslade das Ja-Wort. Die 23-Jährige hatte die Katastrophe nach eigenen Angaben nur überlebt, weil sie nicht unter ihrem Schreibtisch im Pyne-Gould-Bürogebäude Zuflucht suchte: Der Tisch sei beim Einsturz des Gebäudes zerquetscht worden, sagte sie Radio New Zealand. Howard hatte ihrem Verlobten eine SMS geschickt und konnte so gefunden werden.

Von einer dramatischen Rettung berichtete am Freitag der australische Arzt Stuart Philip, der sich während des Bebens zu einem Kongress in Christchurch aufhielt: Eine Kollegin habe einem verschütteten jungen Mann zwar mit einer Betäubung, jedoch mit einfachstem Werkzeug - einem Taschenmesser und einer Handwerkersäge - beide Beine amputiert. Die Amputation der zerquetschten Beine sei die einzige Möglichkeit gewesen, dem im Pyne-Gould-Gebäude verschütteten Mann das Leben zu retten, sagte der Arzt dem australischen Sender ABC.