Wegen akuter Einsturzgefahr musste die Suche in einigen zerstörten Gebäuden aufgegeben werden. Dutzende Menschen werden noch vermutet.

Christchurch/Wellington. Rund 75 Leichen und 50 Überlebende haben Helfer bis zum Mittwoch nach dem Erdbeben in Neuseeland aus den Trümmern geholt. Darunter war ein verletztes Baby, das in den Armen seiner toten Mutter gefunden wurde. „Sie war aus einem Laden in der Cashel Street gerannt und wurde von herabstürzenden Trümmern erschlagen“, zitierte das Nachrichtenportal „stuff.co.nz“ einen Mann in Christchurch. „Wir haben versucht, die Brocken wegzustoßen, aber sie lebte nicht mehr.“ Bis zu 300 Menschen wurden am Tag nach dem Beben noch vermisst. Regierungschef John Key sprach von „Tod und Zerstörung in fürchterlichem Ausmaß“. Private Gutachter schätzten die Schäden auf mehr als zwölf Milliarden US-Dollar.

Unter Lebensgefahr suchten hunderte Helfer nach Opfern. Die Hoffnung auf die Rettung weiterer Verschütteter sank aber rapide. Nachbeben machten die halbeingestürzten Gebäude in Christchurch zu einer potenziellen Todesfalle für die Retter. In einigen Fällen wurde die Suche abgebrochen, weil das Haus einzustürzen drohte.

Zu den Glücklichen, die rechtzeitig gefunden wurden, gehörte Anne Bodkin, die sich unter einen Schreibtisch gekauert hatte, als das Beben der Stärke 6,3 am Dienstagmittag begann. Ihr Mann Graham stand vor den Trümmern des Pyne-Gould-Guinness-Gebäude und erlebte die Rettung mit.

Auch für die Australierin Ann Voss gab es ein Happy End, berichtete der australische Rundfunk am Abend. Sie hatte sich eingeklemmt unter einem Schreibtisch bei ihrer Familie und einem australischen Fernsehsender gemeldet. „Ich werde es wohl nicht schaffen“, sagte sie ihrem Sohn. Dann war ihr Handy-Akku leer. Retter zogen sie am Mittwoch unter Tonnen von Beton, Stahl und Glas hervor - mit gebrochenen Rippen und Schnittwunden.

Gerettet wurde auch der Bäcker Shane Tomlin (42). Das Foto seines staubverschmierten Gesichts, als die Sanitäter ihn aus den Trümmern des Cashel-Street-Einkaufszentrums zogen, ging um die Welt. Seine Eltern suchten jedoch am Mittwoch in den Krankenhäusern vergeblich nach ihrem Sohn. „Wer hat Shane gesehen?“ fragten sie jeden.

Blankes Entsetzen herrschte am Canterbury-Television-Gebäude: Mindestens 50 Menschen wurden dort vermutet, aber die Retter mussten sich wegen akuter Einsturzgefahr zurückziehen. Das Gebäude sei so beschädigt, dass ohnehin niemand überlebt haben dürfte, hieß es bei der Polizei. „Wir glauben, dass es dort keine Überlebenschance gab“, sagte Einsatzleiter David Lowry. In dem Gebäude werden auch mindestens elf japanische Studenten vermutet.

Wegen der Lebensgefahr wurden die Suchtrupps auch aus den Ruinen des Grand Chancellor Hotel zurückgerufen. Das Gebäude ist mit 26 Stockwerken eines der höchsten von Christchurch. Die Feuerwehr fürchtete, das ein Zusammenbruch wie ein Minibeben wirken und andere beschädigte Häuser in der Umgebung mit zu Boden reißen würde.

“Familien haben ihre Angehörigen verloren, Freunde ihre Freunde. Dieser Verlust ist das Schlimmste“, sagte Regierungschef Key, der das Erdbebengebiet am Dienstag besucht hatte. „Gebäude sind nur Gebäude, Straßen nur Straßen, aber die Menschen sind unersetzlich.“ Die Stadtverwaltung richtete auf dem Militärstützpunkt Burnham eine Leichenhalle ein. Verzweifelte Einwohner, die Angehörige suchten, wurden in einer Polizeiwache betreut.

In Christchurch leben 500 bis 1000 Deutsche. Ob einige von ihnen in das Erdbeben gerieten, konnte der Honorarkonsul der Bundesrepublik, Theodor Giesen, nicht sagen. Beim ihm hätten sich „eine Handvoll“ deutscher Touristen gemeldet, die ihr Gepäck im Hotel hatten, nicht zurückdurften und nun neue Reisepapiere brauchten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierte dem neuseeländischen Regierungschef. „Seien Sie versichert, dass die Bundesregierung in diesen tragischen Stunden an der Seite Neuseelands steht“, schrieb sie. Die Regierung rief den nationalen Notstand aus. Damit erhielt das Amt für Zivilverteidigung weitreichende Befugnisse, um die Rettungsaktion mit Kräften aus dem ganzen Land zu koordinieren. Unter anderem schickten Australien, Singapur, Japan und die USA Helfertrupps für die Suche nach weiteren Überlebenden. Neben den 200 Rettern im Einsatz wurden 500 zusätzliche Kräfte erwartet.

Papst Benedikt XVI. trauert um die Opfer und ist bestürzt über die Schäden. In einem Beileidstelegramm an den Bischof von Christchurch fügte Benedikt hinzu, er bete auch für all jene, die noch dabei seien, Verschüttete zu bergen, Verletzten zu helfen und wichtige Einrichtungen wieder herzustellen.