Erdbeben zerstört Christchurch in Neuseeland. Mindestens 65 Tote. Kapitän brachte MS “Europa“ in Sicherheit

Christchurch. Die Katastrophe brach zur Mittagsstunde herein. Menschen schrien, Bäume schwankten, Schornsteine und Mauern stürzten auf die Straßen. Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Überall lag Glas. Der Asphalt riss auf. Und der Turm der über 100 Jahre alten Kathedrale stürzte zusammen.

Es war das verheerendste Erdbeben in Neuseeland seit 80 Jahren und das zweite binnen fünf Monaten: Ein Erdstoß der Stärke 6,3 erschütterte am Dienstag um 12.51 Uhr Ortszeit (0.51 Uhr MEZ) die 340 000 Einwohner zählende Stadt Christchurch - just zu der Zeit, als Büros, Schulen, Straßen und Cafés voll mit Menschen waren. Mindestens 65 starben. Bis spät in der Nacht drangen Schreie von Eingeschlossenen aus den Trümmern.

"Die Zerstörung ist unbeschreiblich", sagte Sabine Cook, 53. Die deutsche Hausmaklerin war gerade mit ihrer Familie unterwegs ins Zentrum, als das Beben begann. "Als die Erde nach wenigen Minuten wieder wackelte, wir die ersten Sirenen hörten und die Feuerwehr sahen, sind wir zurück nach Hause gefahren." Doch auch dort sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Alles war aus den Regalen gefallen, der Fernseher auf den Boden gestürzt. Das erdbebensichere Haus blieb aber stehen.

Von dem Beben überrascht wurden auch die Passagiere des Luxusliners MS "Europa". Negar Etminan, Sprecherin der Reederei Hapag-Lloyd, berichtete dem Abendblatt, dass die meisten der knapp 380 Passagiere an Land waren. Alle seien aber unversehrt auf den Kreuzfahrer zurückgekehrt. Mittlerweile habe das Schiff abgelegt und sei auf dem Weg nach Wellington, der nächsten Station der Neuseeland-Reise, die in Sydney begonnen habe und zu den Fidschi-Inseln führe. Wie viele Hamburger unter den Passagieren seien, konnte Etminan nicht sagen. Jeder Reisende erhalte vor dem Landgang jedoch einen Infozettel mit wichtigen Telefonnummern, um auf solche Situationen vorbereitet zu sein. Auch das Schiff habe keinen Schaden erlitten. Der Kapitän habe die "Europa" während des Bebens von der Kaimauer verholt. Sie lag dann mitten im Hafenbecken - bis die Reise weiterging. Nach Angaben von NDR.de hatten einige Passagiere des Kreuzfahrers Todesangst.

Als habe eine Abrissbirne zugeschlagen - so erlebte der australische Arzt David Malouf das Beben in einem Hotel. "Das ganze Gebäude schwankte gewaltig, der Lärm war unglaublich", sagte er. "Es war, als rausche ein Düsenflugzeug vorbei." Pip Ramby überlebte den Horror im siebten Stock eines Bürogebäudes, das um sie herum einstürzte. "Wir waren gerade zu zehnt in einem Besprechungsraum, als es passierte", sagte sie. "Zur Tür zu kommen war unmöglich, wir verloren die Orientierung. Als es aufhörte zu wackeln, stellten wir fest, dass das Gebäude eingestürzt war. Wir waren praktisch im Erdgeschoss." Tobi Emery hatte gleich zweimal Glück. Erst saß er sechs Stunden im eingestürzten Warteraum einer Arztpraxis fest, dann brach auch noch Feuer aus. Emery entkam in letzter Minute.

Die Australierin Anne Voss hatte weniger Glück. Sie hechtete unter ihren Schreibtisch, bevor die Decke des Büros einstürzte. Von ihrem Handy rief sie zuerst den Sohn und dann den australischen Fernsehsender Seven an. "Ich bin eingeklemmt. Ich kann die anderen schreien hören, aber ich komme nicht raus." Die Reporter versicherten ihr, Hilfe sei auf dem Weg.

Die Retter, die auf den Straßen unterwegs waren, stellten sich auf grausame Funde ein: Sie hatten ein provisorisches Zelt zur Aufbahrung der Toten errichtet. Noch in der Nacht sollten mehr als 50 Helfer mit erfahrenen Spürhunden in Christchurch eintreffen. "Hier kämpfen Menschen ums Überleben, aber es gibt auch viele, die ihr eigenes Leben für andere aufs Spiel setzen", sagte Bürgermeister Bob Parker. Die Zahl der Todesopfer könne noch steigen, vermutete Ministerpräsident John Key. "Möglicherweise erleben wir den schwärzesten Tag in der Geschichte Neuseelands."