Präsident des Verbandes deutscher Strafrechtsanwälte kritisiert Justiz im Fall Kachelmann. Es gebe Malus für Prominente.

Mannheim/Worms. TV-Wettermoderator Jörg Kachelmann will sich nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft nun auf den Prozess gegen ihn vorbereiten. Wann der stattfindet, ist allerdings wieder offen. Weil der 52-Jährige nicht mehr im Gefängnis sitzt, sind die zeitlichen Vorgaben weniger streng. Eigentlich sollte sich Kachelmann vom 6. September an wegen Vergewaltigung einer Ex-Freundin vor dem Mannheimer Landgericht verantworten. Der Wetterexperte war nach mehr als vier Monaten Untersuchungshaft am Donnerstag auf freien Fuß gekommen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob den Haftbefehl auf, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass seine frühere Freundin Kachelmann mit dem Vorwurf der Vergewaltigung falsch belaste. Im Blitzlichtgewitter vieler Fotografen und Kameraleute trat Kachelmann vor das Gefängnistor. Was Kachelmann in den nächsten Wochen in Freiheit vor hat, blieb zunächst unklar.

1. HINTERGRUND: DIE CHRONOLOGIE DES FALLS KACHELMANN

Zu dem Prozess gegen ihn muss er vor Gericht erscheinen, aber ansonsten kann er sich frei bewegen - und auch in seine Heimat, in die Schweiz reisen. Die ARD will ihren Wetterexperten vorerst nicht vor die Kamera lassen. Kachelmann saß seit dem 20. März in Untersuchungshaft. Anfang des Monats hatte das Landgericht Mannheim sich noch geweigert, den Haftbefehl aufzuheben. Sein Anwalt Reinhard Birkenstock legte dann Haftbeschwerde ein. Das Landgericht musste daraufhin die Akten dem OLG vorlegen. Das Oberlandesgericht teilte in seiner Begründung für die Aufhebung des Haftbefehls mit: Da das mutmaßliche Opfer Kachelmanns die einzige Belastungszeugin sei und er die Tat bestreite, stehe Aussage gegen Aussage. Bei der Ex-Freundin des Schweizers könnten zudem „ Bestrafungs- und Falschbelastungsmotive “ nicht ausgeschlossen werden. Die Frau habe bei der Anzeige und im Ermittlungsverfahren zur Vorgeschichte und den Umständen der Vergewaltigung zunächst falsche Angaben gemacht.

2. PORTRÄT: JÖRG KACHELMANN

Kein Promi-Bonus für Kachelamnn

Während seiner Zeit im Gefängnis soll Kachelmann trotz Promi-Status keine Sonderbehandlung gehabt haben. „Wir haben uns bemüht, ihn normal zu behandeln. Es gab keine Extrawünsche“, sagte der Leiter der Justizvollzugsanstalt Mannheim, Romeo Schüssler. Kachelmann habe sich im Vollzug ruhig und unauffällig verhalten. Trotzdem sei Kachelmann kein gewöhnlicher Gefangener gewesen - vor allem für die übrigen Insassen. „Wie draußen auch konnte er sich hier nicht so bewegen wie andere.“ Der 52-Jährige sei natürlich beobachtet worden. Auch der Medienandrang um seine Person habe in der JVA bisweilen für Stress gesorgt. „Das hielt uns von der Arbeit ab“, sagte Schüssler.

Strafrechtler kritisiert Justiz

Der Präsident des Verbandes deutscher Strafrechtsanwälte, Jürgen Möthrath, übte unterdessen scharfe Kritik am Verhalten der Justiz im Fall Kachelmann. Es gebe einen regelrechten Malus für Prominente, sagte er. „Es ist wahrscheinlich ein bisschen schön, wenn man einen Prominenten vorführen kann.“ Das Privatleben des Wettermoderators sei in einer Weise an die Öffentlichkeit gezerrt worden, wie es bei normalen Sexualstraftätern nie der Fall gewesen wäre.

„Jeder, der in der Öffentlichkeit steht, der Erfolg hat, wird schnell mit Namen genannt und nicht nur mit dem Kürzel.“ Unter der Hand würden Informationen an die Presse weitergeben, sagte der Strafverteidiger und erinnerte an den Fall des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel. Dieser war 2009 wegen Steuerhinterziehung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Am Tag der Hausdurchsuchung bei Zumwinkel habe der Eindruck bestanden, dass die Presse schneller vor Ort gewesen sei als die ermittelnde Staatsanwaltschaft.

„Diese Form, an die Medien zu gehen, ist aus meiner Sicht unmoralisch“, sagte Möthrath. Mit dem Mittel der Vorverurteilung werde ein gewisser öffentlicher Druck aufgebaut, was die Arbeit eines Strafverteidigers belaste.