Die internationale Gemeinschaft sagt 270 Millionen Dollar an Hilfen für die Erdbebenopfer zu. Auch mehrere Minister der Karibik-Republik kamen ums Leben.

Port-au-Prince/Washington/Genf. Während sich Rettungsteams aus aller Welt nach Haiti aufmachen, kommt die Hilfe in den vielfach von Leichen übersäten Straßen der vom Beben zerstörten Hauptstadt nur langsam an. Korrespondenten internationaler Fernsehsender berichteten von dramatischen Szenen und einer zunehmend verzweifelten Bevölkerung in Port-au-Prince.

Wegen ausbleibender Hilfe hätten aufgebrachte Haitianer Straßensperren aus Leichen errichtet. Noch immer graben die Menschen zumeist mit bloßen Händen in den Trümmern nach Überlebenden. Bereits die dritte Nacht in Folge verbrachten die meisten Einwohner von Port-au-Prince im Freien; aus Angst vor Nachbeben oder weil ihre Häuser zerstört sind.

Das Beben hat nach Aussage des haitianischen Botschafters in Deutschland, Jean Robert Saget, auch mehreren Ministern der Karibik-Republik das Leben gekostet. Unter ihnen sei Justizminister Paul Denis, sagte Saget. „Ich weiß, dass mehrere Minister den Tod gefunden haben, Justizminister Paul Denis ganz bestimmt.“ Auch der Oppositionspolitiker Michel Gaillard sei ums Leben gekommen. Mehrere Ministerien seien zusammengebrochen, darunter das Außenministerium.

Das Deutsche Rote Kreuz will heute von Berlin aus eine mobile Klinik nach Haiti schicken, die 30.000 Patienten ambulant versorgen kann. Das Lazarett-Team besteht aus sechs bis acht Ärzten, Krankenschwestern und Technikern.

Der beschädigte Flughafen der Hauptstadt erwies sich als größtes Hindernis für ein rasches Anlaufen der Rettungsarbeiten. „Dank der sofortigen Hilfe so vieler Staaten haben wir sehr viel Personal und Hilfsgüter. Aber wir müssen sie ja auch ins Land bringen. Die Flughäfen sind der Flaschenhals“, klagte UN-Nothilfekoordinator John Holmes. Bald läuft die 72-stündige Frist aus, die nach einem Beben für die Rettung von Verschütteten so wichtig ist. Ein Mensch kann etwa drei Tage ohne Trinken auskommen. Danach wird es kritisch.

Im Laufe des Tages soll in den Gewässern vor Haiti der US- Flugzeugträger „Carl Vinson“ mit 19 Hubschraubern und tausenden Soldaten eintreffen. Von ihm erhoffen sich die Hilfsorganisationen eine Beschleunigung der Rettungsarbeiten. Die USA wollten außerdem sechs weitere Schiffe auf den Weg schicken.

Nach Angaben der Vereinten Nationen seien rund 3,5 Millionen Menschen von den Erschütterungen betroffen. In Port-au-Prince hätten rund 300.000 Menschen ihr Obdach verloren.Neben der Hauptstadt habe es auch in Jacmel im Süden des Landes und in Carrefour, einem Vorort der Hauptstadt, schwere Schäden gegeben.

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Das gesamte Ausmaß der Katastrophe ist bisher aber ebenso unklar wie das Schicksal vieler der knapp 100 Deutschen in dem Inselstaat. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin sagte, eine Gruppe von sechs Bundesbürgern sei zurück nach Deutschland geflogen. Andere seien über den Landweg in die benachbarte Dominikanische Republik ausgereist. Auch drei junge Flensburger haben Beben in Haiti unverletzt überstanden.

Die internationale Gemeinschaft sagte bislang rund 268,5 Millionen Dollar (186,3 Millionen Euro) an Hilfen für die Erdbebenopfer zu. Zu den wichtigsten Gebern zählen die Weltbank (100 Millionen Dollar), Großbritannien (zehn Millionen), Australien (9,3 Millionen), Brasilien (fünf Millionen), Kanada (4,8 Millionen), Spanien (4,37 Millionen) und die Europäische Union (4,37 Millionen Dollar). Deutschland hat 1,5 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt.

Auf Haiti müssen die Menschen nach Expertenangaben noch einige Zeit mit Nachbeben rechnen. Die Mehrzahl der erwarteten Erschütterungen trete vermutlich rund um die stark zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince auf, wie der Seismologe Frank Krüger von der Universität Potsdam sagte. „Es ist Vorsicht angebracht“, sagte Krüger. In den ersten Tagen nach dem Beben der Stärke 7,0 habe es bereits Nachbeben mit Magnituden bis 5,9 gegeben. Die Stärke und die Zahl werde weiter abebben.