Die Stärke des Hauptbebens habe „der Energie von acht Hiroshima-Bomben“ entsprochen. Es besteht weiterhin Gefahr in der Region.

Frankfurt/Main. Nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti müssen die Menschen nach Einschätzung von Experten mit teils erheblichen Nachbeben rechnen. „Die Gefahr ist groß. Bei einem so starken Hauptbeben über Magnitude 7 muss man in den nächsten Tagen und Wochen und auch in den nächsten Monaten leider noch mit starken Nachbeben rechnen“, sagte der Seismologe am Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ), Jochen Zschau, nach Angaben des Senders n-tv.

Zeitpunkt eines Bebens sei nicht vorhersagbar

Es habe bereits eine Vielzahl von Nachbeben mit Stärken um den Wert 6 herum gegeben. „Das sind immer noch Stärken, die katastrophal sein können“, sagte Zschau. Auch in den nächsten Wochen und Monaten seien durchaus Ereignisse der Magnitude 5 oder 6 möglich. Die Stärke des Hauptbebens habe „etwa der Energie von acht Hiroshima-Bomben“ entsprochen, wird der Experte zitiert.

Der Zeitpunkt eines solchen Bebens sei nicht vorhersagbar. Die ganze Region gehöre aber zu einer „hochgradig erdbebengefährdeten Region, genauso wie Kalifornien. Hier muss man jederzeit mit einem starken Ereignis rechnen“, sagte Zschau den Angaben zufolge.

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Weiter Chaos in In Port-au-Prince

In Port-au-Prince herrschen unterdessen weiterhin chaotische Zustände. Tote konnten zunächst nicht geborgen werden, für zahllose Verletzte gab es keine medizinische Versorgung. Während das ganze Ausmaß der Katastrophe am Donnerstag noch unklar war, lief in aller Welt die Unterstützung für die Überlebenden an. Nach Einschätzung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) brauchen drei Millionen Menschen – ein Drittel der Bevölkerung – dringend Hilfe.

Ein Flugzeug der US-Streitkräfte landete am Mittwoch mit einem Expertenteam in Haiti. Die ersten Frachtflugzeuge mit Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten, Zelten und Spürhunden waren ebenfalls auf dem Weg nach Port-au-Prince. Am Donnerstag wird die Ankunft des US-Flugzeugträgers „USS Carl Vinson“ vor der Küste von Haiti erwartet.

„Es gibt kein Wasser. Es gibt nichts“, sagte der Arzthelfer Jimitre Coquillon, der auf dem Parkplatz eines Hotels Verletzte versorgte. „Die Menschen haben Durst und werden sterben.“ Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen behandelten Überlebende in zwei Krankenhäusern, die bei dem Beben nicht zerstört wurden. Außerdem wurden in Zelten zwei behelfsmäßige Kliniken eingerichtet.

Ausmaß der Katastrophe noch nicht zu fassen

Die USA schicken 2.000 Marineinfanteristen, zivile Helfer, Schiffe, Transportflugzeuge und Hubschrauber in den Karibikstaat. „Wir müssen in ihrer Stunde der Not für sie da sein“, sagte US-Präsident Barack Obama. Außenministerin Hillary Clinton brach eine Auslandsreise ab, um den Hilfseinsatz von Washington aus zu koordinieren. Verteidigungsminister Robert Gates sagte einen geplanten Besuch in Australien ab.

Zu den ersten Helfern aus dem Ausland gehörten 37 Bergungsspezialisten aus Island, die Ausrüstung mit einem Gewicht von zehn Tonnen mitbrachten. Frankreich schickte 65 Experten für die Beseitigung von Trümmern und sechs Spürhunde auf den Weg, Spanien stellte unter anderem 100 Tonnen an Zelten, Decken und Kochgerät bereit, die in drei Flugzeuge verladen wurden. Bereits vor Ort waren mehrere hundert kubanische Ärzte, die Verletzte in Feldlazaretten behandelten.

Der haitianische Präsident René Preval sagte dem Fernsehsender CNN, das Ausmaß der Katastrophe sei noch nicht zu fassen. Wahrscheinlich seien tausende von Menschen ums Leben gekommen. Es sei aber noch zu früh, um eine genaue Zahl zu nennen. Die UN bestätigten, dass 16 ihrer Mitarbeiter getötet wurden, bis zu 150 wurden vermisst.

Mit bloßen Händen auf der Suche nach Überlebenden

Einen Tag nach dem Erdbeben liefen Überlebende am Mittwoch wie betäubt auf den Straßen umher, vorbei an Leichen und Trümmern. Viele trauerten um Angehörige und Freunde. Einsatzkräfte suchten in eingestürzten Gebäuden nach Verschütteten. In der Vorstadt Petionville gruben sie sich mit Presslufthämmern oder mit bloßen Händen durch die Trümmer eines Einkaufszentrums.

In dem verarmten Land setzten bereits kurz nach dem Beben am Montag um 16.53 Uhr Ortszeit (22.53 Uhr MEZ) Plünderungen ein. Viele Menschen holten Nahrungsmittel aus eingestürzten Häusern. Etwa 3.000 Polizisten und Soldaten der UN-Friedenstruppe bemühten sich um die Sicherheit in Port-au-Prince, ihre Kräfte reichen aber kaum aus. Auch das Hauptgefängnis der Hauptstadt stürzte ein. Mehrere Gefangene sollen geflohen sein.

Unter den Todesopfern ist der 63-jährige Erzbischof Joseph Serge Miot, der in seinem Büro von Trümmern erschlagen wurde. Senatspräsident Kelly Bastien wurde im Parlamentsgebäude verschüttet, konnte aber gerettet werden und wurde in ein Krankenhaus der benachbarten Dominikanischen Republik gebracht.