Der Hamburger Sportsoziologe Markus Friederici berichtet in einer monatlichen Kolumne über das Sportgeschehen und beschäftigt sich mit vielen Fragen und Themen rund um das muntere Treiben hierzulande.

"Jetzt haben sie auch mal eine gute Frage gestellt", frotzelt Günter Netzer nach entsprechender Vorlage seines Gegenübers Gerhard Delling. Es soll witzig sein, schließlich haben die beiden für ihre illustren Schlagabtausche vor, zwischen und nach Fußballländerspielen den Grimme-Preis (2000) und Medienpreis für Sprachkultur (2008) erhalten. Der Zuschauer ahnt aber: Das war kein Spaß. Das war bitterer Ernst. Rudi Völler forderte einst in seiner Brandrede mit Waldemar "Waldi" Hartmann, Delling solle für Gottschalk Abendunterhaltung machen (www.youtube.com/watch?v=fq7QI_aB-UM), aber nicht Fußball kommentieren, und richtig ist, dass die Fragen so mancher Journalisten einen äußerst geringen Erkenntnisgewinn nach sich ziehen. Auffällig sind dabei insbesondere handwerkliche Schwächen: Fragen werden geschlossen formuliert, so dass der Befragte nur mit "ja" oder "nein" geantwortet werden kann (obwohl eine Erklärung erwartet wird), Fragen werden gestellt, die schon beantwortet wurden, was der Reporter allerdings nicht mitbekommen hat und sich sklavisch an seinen mentalen Spickzettel hält, Fragen werden gestellt, bei denen die Antwort bereits bekannt ist (gerne in Kombination mit einer geschlossenen Frage): "Hat es einen Einfluss auf sie, wenn sie nun nicht vor 360, sondern vor 69.000 Zuschauern spielen?" Oder nach einer 1:5-Niederlage: "Können Sie mit der Leistung ihrer Mannschaft zufrieden sein?"

Richtig gemacht hat es Claus Lufen nach dem Länderspiel der Adlerträger gegen die Norweger; er fragte den Capitano Michael Ballack u.a., ob der sich freue, dass er nun in seiner Wahlheimat England vom Holländer Guus Hiddink trainiert werde. Hiddink hatte kurz zuvor den FC Chelsea vom Portugiesen Luiz Felipe Scolari übernommen. Eine vermeintlich unscheinbare Frage, aber dennoch mit viel Zündstoff: Antwortet Ballack, dass er sich freue, heißt das auch implizit, dass er über den Rausschmiss von Scolari alles andere als unglücklich ist (und legt zudem die Vermutung nahe, er habe als Mitglied des Mannschaftsrates seinen Beitrag zur Demission geleistet). Sagt Ballack, er freue sich nicht, solidarisiert er sich mit Scolari und dokumentiert, dass der Trainerwechsel nicht angemessen oder aber der neue Trainer nicht der richtige sei, was das Arbeitsklima nachhaltig stören könnte. Und was antwortet Ballack? Dass, was ein Mental-Coach ihm raten würde (und vielleicht auch geraten hat): Sagen, was man sagen will, und nicht sagen, was andere wissen wollen. Schade. Und so erfahren wir nicht, was er über den Trainerwechsel denkt, sondern vernehmen eben jene Standardfloskeln, die mittlerweile auf nahezu jede Frage passen. "Ja gut, ich denke wir sind auf einem guten Weg…" Dennoch: Den Versuch war es wert. Zu oft stellt sich doch mittlerweile das Gefühl ein, nicht nur die Fragen eines Reporters, sondern auch bereits die Antworten zu kennen: "Wir waren nicht aggressiv genug", "müssen mehr in die Zweikämpfe gehen", "daran müssen wir arbeiten", "so kann man nicht spielen", "nächstes Mal wollen wir anders auftreten", "müssen jetzt nach vorne schauen" usw.

Interessantes ist da nur noch für den Germanisten dabei, der sich mit höherer Metaphorik beschäftigt: "Wir waren zu Beginn nicht auf dem Platz" (wo waren sie dann?), "das Spiel ist uns entglitten" (wer oder was gleitet beim Fußball?) oder "wir haben uns zu sehr versteckt" (wie kann man sich "zu sehr" verstecken, und: wo bzw. wie?).

Fragezeichen auch bei den Bayern, hier aber vermehrt in den Gesichtern des Leitungspersonals. Vor dem Spiel gegen die Kölner Jecken beschrieb Gäste-Trainer Christoph Daum auf einer Pressekonferenz sein Team als selbstbewussten Außenseiter (www.fc-koeln.de/index.php?id=2354). Drei Tage und zwei Auswärtstore später zeigte sich, dass diese Aussage keine Worthülse war. Es sei allerdings zugegebenermaßen ein glücklicher Sieg beim kommenden Meister gewesen (www.fc-koeln.de/index.php?id=2355). Anders klingt es bei Uli Hoeneß: Der attestierte seinem Team gegen Hamburg und Berlin trotz der Niederlagen eine gute Leistung, doch nun habe sich der Gegner den Sieg verdient. Hoeneß und Daum, schwarz und weiß. Wie kann es zu so unterschiedlichen Beurteilungen zweier ausgewiesener Experten kommen? Die Soziologen Berger und Luckmann haben eine Erklärung parat: Es gibt eben nicht die eine Realität, sondern unendlich viele. Oder zumindest so viele, wie es Akteure gibt, die einen Sachverhalt beschreiben. Aber gibt es im Fußball nicht Parameter wie Ballbesitz, Zweikampfwerte, Torschüsse oder Ecken, die die Wirklichkeitsrekonstruktionen in vergleichbare Bahnen lenken sollten? Oder ist letztlich immer die Mannschaft besser, die am Ende mindestens ein Tor mehr auf der Habenseite verbuchen kann als die andere?

Letztere heißt in der Regel Bayern München. Vor der Winterpause hatten die Bajuwaren den holprigen Saisonstart vergessen gemacht und waren in beeindruckender Manier bis fast an die Spitze gestürmt. Und Klinsmann betonte in den Interviews, dass er immer gesagt habe, dass wo man eine Umstellung in der ganzen Philosophie vornimmt, es Zeit, ganz klar Zeit braucht. Und nun war die Zeit eben gekommen um abzuräumen. Doch nach der Winterpause räumte nur der Münchener Schneedienst, denn die Kicker verloren erst in Hamburg, dann in Berlin und schließlich noch zuhause gegen besagte Kölner. Wer oder was war Schuld? Der Schiedsrichter! Vorstandschef Kalle Rummenigge übte sich im Rundumschlag und sah seine Bayern permanent benachteiligt: "Irgendwann muss man auch mal von den Leuten eine Fehlerquote einfordern. Wenn ein Spieler einen Meter nicht abseits ist, das sieht man doch. Auch der Herr Amerell (DFB-Schiedsrichtersprecher, Anm. d. Red.) hat mir in der Halbzeit bestätigt, dass es ein Fehler war." Karl-Heinz Rummenigge regt sich über die Schiedsrichterleistungen auf. Der Rummenigge, der zu seiner aktiven Zeit in den letzten fünf Minuten einer Partie gerne mal im Strafraum den Hintern rausgestreckt hat in der Hoffnung, jemand könnte ihn streifen. Wieviele Elfmeter hat der Mann so zugesprochen bekommen? Es sind gefühlte Tausend.

Natürlich verliert (s)eine Kritik dadurch nicht die Berechtigung, aber dass der FC Bayern schlecht spielt, liegt nur marginal an den Schiedsrichtern. Ich würde sogar sagen, der Einfluss der Schiris auf die Leistung der Bayern ist verschwindend gering. Tendiert gegen Null. Ist Null.

Gen Null tendiert auch das Showtalent von Ralf Rangnick, Trainer der TSG Hoffenheim. Muss er auch nicht haben, sagen Sie? Stimmt. Aber den Fußballfan interessieren neben dem Spiel auch und gerade die Geschichten um den Fußball herum. Und da gab sich Rangnick bislang als sachlich-kühler Analytiker. Als die ersten Giftpfeile aus der bayrischen Landeshauptstadt die Hoffenheimer Provinz erreichten, ließ Rangnick im Bayrischen Rundfunk verlauten: "Wenn sich die Bayern so intensiv mit uns beschäftigen, ist das ein Kompliment für uns." Doch nach zuletzt schwachen Spielen seiner Truppe in der Rückrunde bewies Rangnick, dass er auch die Klaviatur der scharfen Worte beherrscht. Die oder das mobil, Mitteilungsblatt der Bahn, titelte in seiner Februarausgabe, Rangnick sei "der kühnste Kopf der Liga". Nach dem 1:4 in Leverkusen schwellte dem ansonst so besonnenen Fußballlehrer aber der Kamm. Als Feindbild hatte er die Medien auserkoren. Sie würden seine Spieler wie Stars behandeln, die dadurch den Blick fürs Wesentliche verlören. Lieber Ralf: 1. Deine Spieler sind Stars, 2. kennst Du die Mechanismen des Geschäfts und hättest dementsprechend planend und vorausschauend Einfluss nehmen können, und 3. definiert sich Erfolg letztlich aus dem adäquaten Verhältnis von Anspannung und Entspannung.

Und dennoch ist Rangnicks Kritik mannschaftsdienlich: Probleme, die sich nur bedingt erklären lassen, lösen Angst aus. Angst wiederum ist kein guter Ratgeber; im Gegenteil, denn nicht erst seit Fassbinder wissen wir: Angst essen Seele auf. Hoffenheim hat nun eine Phase, in der es nicht so läuft, wie es laufen könnte. Um zu verhindern, dass die Spieler nun zu viel nachdenken und beginnen, einiges in Frage zu stellen, präsentiert der Trainer die (vermeintliche) Ursache des Problems. Das nimmt den Druck von den Spielern und kann, wie Vertreter der systemischen Therapie lehren, der Unterschied sein, der den Unterschied ausmacht. Die wahren Ursachen muss Rangnick dennoch schnellstmöglich finden, will er den Kontakt zur Spitze halten.

Für die Bayern gibt es derweil nur ein Ziel: die Meisterschaft. Ex-Volleyballnati-Trainer Olaf Kortmann, mittlerweile Coach der Beachvolleyball-Europameisterinnen Sara Goller und Laura Ludwig, predigt in seinen Seminaren, die er in seiner Funktion als Mentaltrainer hält, keine (unrealistischen) Ziele vor Saisonbeginn zu formulieren. Schon gar nicht Ziele, die sich auf einen Tabellenplatz beziehen. Und in der Tat sind das dann häufig die Trainer, die nach wenigen Spielen wieder Rosenzüchten und ihrer Frau auf den Wecker fallen dürfen. Sicherlich: Klinsmann, der in Interviews gerne das Kollektiv betont und von "wir" spricht, hat es schwer, nicht vom Meistertitel zu sprechen schließlich reden im Umfeld alle vom Titel, und hätte er als Ziel einen Uefa-Cup-Platz ausgeben, wäre er schon wieder im sonnigen Kalifornien. Und so formuliert Klinsmann Teilziele, die zu erreichen wären, und die er bewusst und rhetorisch geschickt vom Titel entkoppelt: Zu Beginn sollte die Mannschaft zusammenwachsen, dann die Laufwege und strategischen Konzepte verinnerlichen, Selbstbewusstsein tanken und in kritischen Situationen die richtige Alternative wählen.

Um die Weihnachtszeit herum, die Tabellenspitze nur noch einige mickrige Törchen entfernt, beging Klinsmann dann den Fehler, den Medien, aber auch der Mannschaft, zu suggerieren, der Bayern-Express rolle in Richtung Meisterschaft und ließe sich nicht mehr aufhalten. Nun ist er in Erklärungsnot, denn drei Niederlagen aus fünf Spielen nach der Winterpause geht allen "auf die Eier" (siehe Michael Rensing). Denn wie sagte einst ein deutscher Philosoph: "Wichtig ist aufm Platz."

Apropos Philosophen: Was haben Tränen und Statistiken gemeinsam? Sie lügen nicht. Es lügt (gelegentlich) nur der, der Tränen verdrückt oder Statistiken interpretiert. Und da gibt es nun nicht nur in den privaten, sondern auch öffentlich-rechtlichen Anstalten den einen oder anderen Experten, der erkannt hat, dass es zwischen Lügen und Verschweigen einen medienwirksamen Unterschied gibt. Beispiel: Auf der Seite des DFB finden wir die Länderspielstatistik des deutschen Teams gegen Chile, die die Aussage zulässt, dass der letzte deutsche Sieg fast 39 Jahre zurückliegt das 3:1 war allerdings auch das einzige Spiel, das Deutschland jemals gegen Chile bestritt. Noch kurioser wird es, wenn ein Reporter nach der Niederlage einer Bundesligamannschaft nach dem ersten Rückrundenspieltag anmerkt, die Mannschaft sei nun über 2 Monate sieglos (Winterpause!) Faktisch richtig, aber irreführend, wird doch suggeriert, die Mannschaft befinde sich in einem Leistungstief.

Gänzlich falsch interpretieren auch die hohen Herren des DFB die Statistiken der Ligen drei und vier. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Zahlen, die die Fußballklubs dieser Ligen vorlegen, nicht die Alarmglocken in der Frankfurter DFB-Zentrale schrillen lassen (vielleicht schrillen sie auch, aber in der deutschen Bankenmetropole schrillt es ja zur Zeit an jeder Ecke).

Bei der geplanten Mittelzuweisung und Fernsehgeldausschüttung wird es insbesondere für die Amateurclubs immer schwieriger, zu überleben. Von Aufstieg reden nur noch die wenigstens, die DFB-Auflagen für die Regionalligen sind für Amateurvereine kaum mehr zu erfüllen. Ist das beabsichtigt? Eines zumindest ist nicht-intendiert, aber direkte Folge der Fußballpolitik: Die Stimmung an der Amateurbasis ist vorsichtig formuliert nicht gut. Ohne die Option, aufsteigen zu können, geht Motivation verloren (außer man definiert das "Überleben" als Ziel), viele Fans sind angefressen. Durch Absperrzäune ist der Blick eben nicht besonders attraktiv. Bei den Engländern geht es doch auch ohne Zäune. Und das sogar in der Premier League. Aber der Vergleich hinkt natürlich. Englische Fußballfans sind ja bekanntermaßen friedlich wie die Lämmer.

Wie die Lämmer würde sich die Bremer Schaaf-Truppe zur Schlachtbank führen lassen, so dachten wohl die Milanesen. Doch gegen den großen AC Milan holten die Werderaner im UEFA-Cup ein 1:1 im heimischen Weserstadion, um nach einem 2:2 in der Ferne in die nächste K.o.-Runde einzuziehen. Hut ab, können wir aus berufenen Mündern hören. Ich halte mir derweil die Ohren zu. Warum sind die deutschen Teams eigentlich gegen die Truppen aus England, Spanien und Italien per se die Underdogs? Warum soll man sich schon freuen, wenn gegen eine Ü-30-Truppe aus der Lombardei ein Pass in die Tiefe ankommt? In der Süddeutschen konnten wir gar lesen, Milan habe sich blamiert. Ein Unentschieden gegen Bremen ist also bereits eine Blamage. Machen wir uns nicht zu klein?

Groß geschrieben wird in den Medien nach wie vor das Thema Doping. Und gerade hierzulande wird das Wort "Doping" ja mittlerweile nahezu zeitgleich mit der außergewöhnlichen Leistung eines Sportlers oder einer Mannschaft gestellt (www.youtube.com/watch?v=5LWEnGOpyN4&feature=related). Ausnahme: deutsche Weltmeister und Olympiasieger.

Das Doping wird auch in den nächsten Jahren ein dominierendes Thema in den Medien bleiben, denn letztlich sind alle bisherigen Bestrebungen, das Doping wirksam zu bekämpfen, zum Scheitern verurteilt. Quer durch die Sportarten ist das zentrale Problem die "Personalisierung": Am Pranger steht der Athlet, der zu unlauteren Mittel gegriffen hat. Er steht im Rampenlicht, wird beschuldigt, muss sich rechtfertigen und wird gesperrt. Es ist ein Kampf gegen die Symptome, an die Ursachen traut sich so recht niemand heran, schließlich stehen manifeste (ökonomische) Interessen dahinter. Sichtbar sind oftmals nur die Motive des Dopingsünder, der seine Leistung verbessern, den Alterungsprozess relativieren oder den Abstand zu anderen Athleten - je nach Perspektive - verringern oder vergrößern möchte. Schaut man auf die Hinterbühne des Geschehens, erkennt man das Netzwerk an Einflussgrößen, die Vielzahl von Akteuren und Instanzen, die das Doping begünstigen (können), angefangen bei den Trainern, die nach Leistung bezahlt werden und mitunter auf langjährige Erfahrungen mit dem Doping (und der Verschleierung) zurückgreifen können, über die Physiotherapeuten und Mediziner, die sich als Unterstützer (welt-)bekannter Athleten einen Ruf erarbeiten können bis hin zu Vereinen und Verbänden, die über strukturelle Zwänge wie Wettkampfhäufigkeit, Vorgaben für Trainingsintensität und -umfang und Qualifikationsnormen die Dopingpraxis nachhaltig beeinflussen. Und letztlich ist es auch eine übertriebene Leistungsorientierung in der Gesellschaft, das Motto des Zweiten als des ersten Verlierers und die starke soziale, zeitliche und sachliche Bindung von Top-Athleten an den Sport. In der Wissenschaft wird dieser Umstand auch als biographische Fixierung bezeichnet. Die Athleten verbringen nicht nur übermäßig viel Zeit im Sportsystem, sondern rekrutieren auch ihren Freundeskreis aus diesem Sportmilieu. Sport ist zudem die Tätigkeit, die ihr Dasein mit Sinn füllt. Droht nun das Karriereende, entsteht aufgrund dieser umfassenden Fixierung auf den Sport mitunter die Angst, "alles zu verlieren". Substanzen, die auf der Dopingliste stehen, versprechen hier eine Verlängerung der Verweildauer im System. Aufgeschoben ist zwar nicht aufgehoben, aber die lästigen Gedanken können so zumindest für einige Zeit verdrängt werden. Doch wie ist das Problem in den Griff zu bekommen?

Pädagogisierung (gutes Zureden mit der Hoffnung auf Überzeugung und Bestrafung des Abweichenden), Anreiznivellierung und eine konsequente Unterstützungsverweigerung können zumindest den Athleten bewegen, auf die Einnahme verbotener Substanzen zu verzichten. Andere fordern die Legalisierung des Dopings. Schließlich verhindere Mutter Natur bereits eine Chancengleichheit, die man durch die Verwendung entsprechender Mittelchen relativieren könne. Als Beispiel wird hier die Einnahme von EPO genannt, um die Anzahl der roten Blutkörperchen zu erhöhen. Der Nachteil derer, die nicht in der Höhe trainieren, um ihre Ausdauerwerte zu verbessern, könne so ausgeglichen werden. Mit einer Dopingfreigabe könne man zudem den Schwarzmarkt und damit den Umlauf von gefährlichen Substanzen "entschärfen" und damit das Risiko für die Nutzer verringern. Der organisierte Sport hat hier klar Stellung bezogen: Kein Doping, never ever! Nur dann sollten auch Konzepte und Maßnahmen entwickelt werden, die nicht nur das letzte Glied in der Kette bestrafen, sondern das System an sich in Frage stellen.

Bei der Biathlon-WM in Korea wurden drei russische Läuferinnen des Dopings überführt, und umgehend versprach Ministerpräsident Wladimir Putin schärfere Kontrollen durch den russischen Verband. Da haben wirs dann wieder: Personalisierung. Wer hat Schuld? Du und du und du. Same procedure as every time. Ändern wird sich dadurch nichts.

Dabei scheint es vielen Stakeholdern im Sport, zu denen auch die Zuschauer zählen, gar nicht so wichtig zu sein, dass gedopt wird, sondern wer was warum genommen hat. Ob ein Radfahrer bestraft und für zwei Jahre vom Wettkampfbetrieb ausgeschlossen wird, hat doch viele nicht wirklich interessiert, sondern ob er die Einnahme bei der Pressekonferenz gesteht, ob er andere beschuldigt, ob Tränen fließen, ob Reue gezeigt wird. Die Tour de France ist doch für viele auch und gerade wegen der Doping-Skandale interessant geworden, denn getratscht wird nicht nur gern im Treppenhaus des Ohnsorg-Theaters, sondern auch auf den Fluren der Medienmacher, in den Vereinskneipen und auf den Sportplätzen. Ob 3:1 oder 3:2 ist letztlich nur für die Statistik entscheidend. Die niederen Instinkte des Menschen wollen befriedigt werden: Wer spritzt was, kokst heimlich, trifft sich regelmäßig mit der Frau eines Mitspielers, verspürt unter der Herrendusche ein Kribbeln im Bauch, wettet im Internet, muss vor Gläubigern flüchten, schaut regelmäßig tiefer ins Glas als andere?

Apropos ins Glas schauen: Wo sind eigentlich die guten alten Stiefel geblieben, mit denen nach dem Fußballtraining in der Vereinsgaststätte die dritte Halbzeit eingeläutet wurde? Sind die der Herpes-Prophylaxekampagne zum Opfer gefallen?

Opfer anstatt Gegner sind in der Regel diejenigen, die gegen die chinesischen Tischtenniscracks antreten müssen. Ausnahme bildet regelmäßig Deutschlands Tischtennisstar Timo Boll. Der schlug beim Turnier in Qatar die gesamte Weltelite aus dem Reich der Mitte. Einige der Spielwechsel werden es dabei in die Hall of Fame der Ballwechsel schaffen, sehenswert Bolls Matchball im Achtelfinale gegen den Japaner Jun Mizutani (http://www.youtube.com/watch?v=F0BfGgGopmg&feature=related). Im Finale schlug Boll dann den Weltranglistenersten Ma Lin, den er in den bisherigen sieben Partien nicht besiegen konnte. 4:3 hieß es am Ende für Boll, der nach zwei abgewehrten Matchbällen letztlich mit 14:12 im letzten Satz triumphierte. Auch im Viertel- und Halbfinale hatte es Boll mit Ballkünstler aus China zu tun. Endergebnis also: Bolland gegen China 3:0.