Die Suspendierung erfolgt damit drei Tage bevor der Internationale Sportgerichtshof (CAS) über die Klage des 63 Jahre alten Funktionärs nach dessen Ausschluss aus dem Fußball-Weltverband Fifa entscheidet.

Berlin/Kuala Lumpur. Der Asiatische Fußball-Verband (AFC) hat nach Wirtschaftsprüfungen den ehemaligen Präsident Mohammed bin Hammam suspendiert. Der Verband gab am Montagabend bekannt, dass der frühere Fifa-Präsidentschaftskandidat für 30 Tage gesperrt worden sei. Eine ausführliche Prüfung der Verbandskonten habe „wirtschaftliches Fehlverhalten“ durch bin Hammam offengelegt.

Die Suspendierung erfolgt damit drei Tage bevor der Internationale Sportgerichtshof (CAS) über die Klage des 63 Jahre alten Funktionärs nach dessen Ausschluss aus dem Fußball-Weltverband Fifa entscheidet. Mohammed bin Hammam war im vergangenen Jahr vom Weltverband gesperrt worden, nachdem die Fifa-Ethikkommission es als erwiesen angesehen hatte, dass er bei seiner Präsidentschaftskandidatur Stimmen gekauft hatte. Der ehemalige AFC-Präsident war 2011 als Herausforderer von Amtsinhaber Sepp Blatter angetreten. Bin Hammam hatte diese Vorwürfe bestritten und gegen seine Suspendierung Klage beim Internationalen Sportgerichtshof eingereicht.

Für Sepp Blatter wird es immer enger. Gerüchte machen bereits die Runde, dass der Präsident des europäischen Fußballverbands Uefa, Michel Platini, auf Blatter folgen könnte. Laut Fifa-Reformer Mark Pieth wäre Platini aber kein geeigneter Ersatz für Sepp Blatter beim Weltverband. „Von Platini sind bisher meines Wissens nach nicht viele Impulse ausgegangen, er ist nicht der große Reformator“, sagte Pieth der „Sport-Bild“ vom Mittwoch laut einer Vorabmeldung. Der Schweizer Strafrechtsprofessor leitet als externer Ratgeber bei der Fifa die unabhängige Kommission für Governance.

Pieth nahm die Fifa und Blatter vor einer Einmischung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Schutz. „Das IOC soll sich zunächst seine eigenen Sachen anschauen“, sagte der Anti-Korruptions-Experte angesichts mutmaßlicher Verwicklungen Blatters in Schmiergeldzahlungen des Sportvermarkters ISL an ranghohe Fifa-Funktionäre.

Verliert Blatter sein Bundesverdienstkreuz?

Führende deutsche Politiker haben sich unterdessen dafür ausgesprochen, Fifa-Präsident Joseph Blatter das Bundesverdienstkreuz abzuerkennen. „Sepp Blatter steht für endemische Korruption bei der Fifa. Nachweislich“, sagte der Sprecher der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer, der Tageszeitung „Die Welt“ (Dienstagausgabe). „Deshalb sollte ihm das Bundesverdienstkreuz wieder entzogen werden.“

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte der Zeitung: „Wenn es dabei bleibt, dass Herr Blatter keine echte Aufklärung der Schmiergeldaffäre will, sollten wir über eine Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes nachdenken.“ Die Schmiergeldzahlungen an Fifa-Funktionäre seien belegt. Blatter habe von den Zahlungen gewusst. Wolfgang Neskovic, Linke-Justiziar und ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, sagte, er halte „eine Entziehung der Auszeichnung für zwingend geboten“.

Die Staatsanwaltschaft in Zug/Schweiz hatte die Verwicklung Blatters in die Affäre um Schmiergeldzahlungen des Sportvermarkters ISL an ranghohe Fifa-Funktionäre dokumentiert. Blatter erhielt den Orden 2006 für seine Leistungen bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft an die Bundesrepublik.

+++ Sepp Blatter: Letzter Ausweg Sommermärchen +++

Blatter hat seine Aussagen zur Vergabe der WM 2006 nach Deutschland mittlerweile in einem offenen Brief relativiert. Er halte alle Vergabeentscheidungen für Fußball-Weltmeisterschaften in der Vergangenheit für rechtmäßig. „Ich glaube nicht an Verschwörungstheorien, sondern nur an Fakten“, schrieb der Präsident des Weltfußballverbandes Fifa in einem von der „Bild“-Zeitung (Dienstagausgabe) veröffentlichten offenen Brief. „Solange keine konkreten Beweise vorliegen, dass bei irgendeiner WM-Vergabe etwas schief gelaufen ist, muss und soll man an der Rechtmäßigkeit der Wahl festhalten. Dies gilt für Deutschland ebenso wie für alle anderen Länder. Das ist die Kernaussage meiner Botschaft.“

Er habe in seinem Interview mit dem Schweizer „SonntagsBlick“ im Hinblick auf die Korruptionsvorwürfe bei der WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 nur darauf hinweisen wollen, „dass selbst bei der WM-Vergabe an Deutschland 2006 solche Vorwürfe erhoben worden waren“, fügte Blatter hinzu. Er wolle damit sagen, „dass man immer einen Vorwand finden kann, um die Rechtmäßigkeit eines Entscheides zu bezweifeln.“

Blatter hatte in dem Interview auf die Frage, ob die WM 2006 gekauft gewesen sei, geantwortet: „'Nein, ich vermute nicht. Ich stelle fest.“ Damit habe er allerdings lediglich darauf hinweisen wollen, dass jemand den Raum während der Abstimmung verlassen habe, die Deutschland dann mit einer Stimme Unterschied gewonnen habe.

Zugleich lobte der Fifa-Präsident noch einmal die Austragung der WM 2006 als „perfekte“ Veranstaltung. „Ein Sommermärchen sondergleichen, worauf das Land stolz sein kann“, schrieb Blatter.

Blatter hatte mit seinen Aussagen ohne Zweifel in ein Wespennest gestoßen, und dabei ist dem 76-Jährigen durchaus Kalkül zuzuschreiben. Zumindest eine Retourkutsche, nachdem DFL-Boss Reinhard Rauball den mächtigsten Mann im Fußball nach den Korruptionsvorwürfen per Telefon offen zum Rücktritt aufgefordert hatte und selbst der DFB von Blatter abgerückt war. Es ist eine Schlammschlacht, bei der Blatter, gerade selbst in der Defensive, nun zum Gegenangriff ausholt und Deutschland offenbar an einem wunden Punkt getroffen hat.

"Die Bundesregierung hat alles getan“

„Fifa-Boss Blatter zieht unser Sommermärchen in den Dreck“, titelte die „Bild“ am Montag dann auch in ihrer Onlineausgabe. Der ehemalige Funktionär und langjährige Mediendirektor der Fifa, Guido Tognoni, sieht in Blatters Äußerungen indes reine Taktik: „Sepp Blatter steckt im Moment wieder einmal in einem Überlebenskampf. Er ist natürlich schwer angeschossen. Immer wenn er ein bisschen bedrängt ist, dann schlägt er um sich“, sagte Tognoni am Montag im ARD-„Morgenmagazin“.

Dabei hatte gerade dieser Tognoni die von Blatter erhobenen Vorwürfe einer gekauften WM 2006 bereits vergangenes Jahr selbst formuliert. „Die Bundesregierung hat für das Gewinnen der Stimme eines saudiarabischen Delegierten kurzfristig das Waffenembargo aufgehoben“, sagte Tognoni damals auf einem Kongress in Düsseldorf, und weiter: „Die Bundesregierung hat alles getan – und auch das getan – um diese Stimme zu bekommen.“ Behauptungen, die schon damals von deutscher Seite empört zurückgewiesen worden waren.

Für Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied von Transparency International, ist Blatter dieses Mal zu weit gegangen. Durch seine Äußerungen hinsichtlich der Schmiergeldaffäre sei Blatter „kein seriöser Geschäftspartner mehr“, sagte Schenk der Onlineausgabe der Tageszeitung „Die Welt“ am Montagabend. Blatter könne „einen Reformprozess, der dringend notwendig ist, nicht glaubwürdig anschieben.“ Seine Andeutungen bezüglich der WM-Vergabe 2006 seien als Ablenkungsmanöver zu werten: „Er meint damit, jegliche Aufklärung verhindern und von den eigenen Fehlern ablenken zu können. Das darf nicht funktionieren.“

Fifa-Wahlmann Dempsey hatte sich der Stimme enthalten

Doch Blatter weiß und wusste um die Gerüchte, die rund um die Vergabe der Weltmeisterschaft an Deutschland im Jahr 2000 entstanden waren, und greift diese nun gleichsam genüsslich wie unaufgefordert auf. Die „Süddeutsche Zeitung“ durchleuchtete am Montag die zumindest fragwürdigen Umstände der Stimmenthaltung des damaligen Fifa-Wahlmanns Charles Dempsey aus Neuseeland, die als Schlüssel für den Sieg der deutschen Bewerbung gegen die von Blatter favorisierten Südafrikaner galt.

Dempsey hatte bei der Abstimmung des 24-köpfigen Exekutivkomitees der Fifa im Juli 2000 den Raum verlassen, am Ende siegte Deutschland mit zwölf zu elf Stimmen. Bei einem Patt hätte Blatters Stimme entschieden – und der war damals bekanntermaßen schon für Südafrika. Jahrelang hatte der 76 Jahre alte gelernte Volkswirt zu diesem Thema nichts gesagt. Bis Sonntag.

Blatters setzt also auf seine altbewährte Taktik der Vorwärtsverteidigung. Kurzfristig konnte der umstrittene Präsident die Aufmerksamkeit von den Problemen im eigenen Haus ablenken, doch diese könnten ihn schneller einholen, als ihm lieb ist. Denn am Dienstag findet in Zürich eine außerordentliche Sitzung der Fifa statt; dort sollen unter anderem die neuen Ethik-Regeln verabschiedet werden. Zudem kommen die oft kritisierten WM-Vergaben an Brasilien 2014, Russland 2018 und vor allem Katar 2022 auf dem Prüfstand.

Mit Material von dapd und sid