FIFA-Präsident Blatter freut sich über die Veröffentlichung der Dokumente über die Korruptionsaffäre um die ISL. Dabei legen diese zumindest eine Mitwisserschaft Blatters nahe.

Frankfurt/Main. Die erstmals veröffentlichten Details der FIFA-Schmiergeldaffäre um Ehrenpräsident Joao Havelange und dessen brasilianischen Landsmann Ricardo Teixeira rücken FIFA-Boss Sepp Blatter erneut ins Zwielicht. Doch der mächtige Mann des Welt-Fußballs gerierte sich einmal mehr als Unschuldsengel. „Ich bin erfreut über das Urteil des Schweizer Bundesgerichts. Es bestätigt, was ich immer gesagt habe: Ich stand nicht auf der Liste“, twitterte Blatter fröhlich.

Dabei bringen die Dokumente der Staatsanwaltschaft Zug zum Korruptionsskandal um das mittlerweile insolvente Medien- und Marketingunternehmen ISMM/ISL den FIFA-Präsidenten in Erklärungsnot, auch wenn er namentlich nicht erwähnt ist. „Nicht infrage gestellt werden kann die Feststellung, dass die FIFA Kenntnis von Schmiergeldern an Personen ihrer Organe hatte“, heißt es in der jetzt veröffentlichten Einstellungsverfügung aus dem Jahr 2010.

Blatter war 1990 nach neun Jahren als FIFA-Generalsekretär mit den Befugnissen eines Exekutivdirektors ausgestattet worden, 1998 rückte er als Nachfolger Havelanges an die Spitze des Fußball-Weltverbandes. Zwischen 1989 und 2001 sind insgesamt knapp 160 Millionen Schweizer Franken an Provisionszahlungen geflossen.

„Kaiser“ Franz Beckenbauer und FIFA-Exekutivmitglied Theo Zwanziger wollten sich am Donnerstag nicht dazu äußern. Dafür fand Sylvia Schenk klare Worte: „Die Verfügung zeigt auf, wie Verantwortliche der FIFA über Jahre versucht haben, diese Zahlungen geheim zu halten oder durch nachträgliche Genehmigungen zu legalisieren. Die Vorfälle wurden heruntergespielt, statt sie aufzuklären und die schuldigen Personen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagte das Vorstandsmitglied von Transparency International Deutschland der Nachrichtenagentur dpa.

Die Juristin forderte die FIFA zu Konsequenzen auf. „Ich wundere mich, dass Herr Havelange immer noch Ehrenpräsident ist, obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, dass er Zahlungen bekommen hat“, erklärte Schenk. Die FIFA müsse Konsequenzen ziehen und „auch fragen, wer hat wann was gewusst und gedeckt“.

Als Empfänger der Schmiergelder sind nur die Namen von Havelange und Teixeira bekanntgeworden. Der heute 96 Jahre alte Havelange, der von 1974 bis 1998 FIFA-Boss war, kassierte im März 1997 1,5 Millionen Schweizer Franken (rund 1,25 Millionen Euro). Der ehemalige brasilianische Verbandschef Teixeira erhielt zwischen August 1992 und November 1997 mindestens 12,74 Millionen Schweizer Franken (rund 10,6 Millionen Euro). Beide haben jegliche Anschuldigungen stets zurückgewiesen.

Erst im März dieses Jahres war Teixeira aus der FIFA-Exekutive zurückgetreten. Gerichtlich belangt werden kann in der Affäre ohnehin niemand mehr. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft waren vor zwei Jahren gegen die Zahlung von 5,5 Millionen Schweizer Franken durch die FIFA und deren Funktionäre eingestellt worden. Bis zuletzt war auch versucht worden, die Veröffentlichung der Dokumente zu verhindern.

„Es erschüttert mich, dass der FIFA-Anwalt noch in diesem Jahrtausend versucht hat, im Nachhinein zu rechtfertigen, dass Zahlungen anstatt an die FIFA an Havelange und Teixeira geflossen sind – so nach dem Motto, wenn's nicht strafbar ist, ist es auch in Ordnung. Die Kultur und der Geist, die dahinter stecken und in der Einstellungsverfügung mehrfach deutlich werden, sind erschreckend“, sagte Schenk.

Für sie steht fest: „Wenn die FIFA ihr neues Compliance Programm nicht nur auf dem Papier haben will, sondern auch tatsächlich Änderungen herbeiführen will, muss sie dringend damit anfangen, an der zugrundeliegenden Kultur zu arbeiten.“

Die Möglichkeit bietet sich bereits am kommenden Dienstag, wenn das FIFA-Exekutivkomitee auf seiner außerordentlichen Sitzung in Zürich den Ethik-Codex verabschiedet und die Vorsitzenden der beiden Kammern der Ethik-Kommission beruft. Blatter selbst wird dies auf dem Weg der Erneuerung als Erfolg für sich reklamieren und sich als Reformer feiern lassen. Diese Rolle spielt er auch viel lieber als die des reuigen Sünders.