Fifa-Präsident Joseph S. Blatter hat nach wachsender Kritik an seiner Person sich medial gewehrt. Dabei erhob er nebulöse Vorwürfe gegen Deutschland.

Köln. Fifa-Präsident Joseph S. Blatter gerät trotz einer medialen Großoffensive am Wochenende in der Schmiergeldaffäre beim Fußball-Weltverband zunehmend ins Abseits. DFB-Chef Wolfgang Niersbach ging am Sonnabend "geschockt“ auf Distanz zum 76-Jährigen, und das Internationale Olympische Komitee (IOC) beobachtet sehr aufmerksam die jüngsten Korruptions-Enthüllungen bei der Fifa.

Blatter antwortete im Interview mit dem Schweizer SonntagsBlick mit nebulösen Vorwürfen in Richtung Deutschland im Zusammenhang mit der WM-Vergabe 2006 und forderte außerdem den Entzug der Fifa-Ehrenpräsidentschaft für seinen Amtsvorgänger Joao Havelange (Brasilien/96). "Er muss weg. Er kann nicht Ehrenpräsident bleiben nach diesen Vorfällen“, sagte Blatter. Außerdem berichtete der Walliser, dass es 1986 vor der WM in Mexiko im Zusammenhang mit einem Qualifikations-Entscheidungsspiel einen Versuch gegeben habe, ihn mit 50.000 Dollar zu bestechen. Er habe das Geld jedoch nicht angenommen.

Einen Tag nach der Rücktrittsforderung des deutschen Liga-Präsidenten Reinhard Rauball an Blatter machte derweil Niersbach aus seiner Empörung über die seit vergangenen Mittwoch offiziellen Korruptionsfälle in der Fifa-Spitze und besonders auch Blatters Umgang mit dem Thema kein Hehl.

"Die Reaktion des Fifa-Präsidenten hat mich geschockt. Wenn nicht unbedeutende Persönlichkeiten der Fifa Geld kassiert haben und die Reaktion darauf ist, dass das damals nicht verboten war, dann können wir uns als DFB davon nur klar distanzieren“, sagte Niersbach am Sonnabend bei der DFB-Schiedsrichtertagung in Altensteig-Wart.

Blatter äußerte sich derweil zur WM-Vergabe 2006 an Deutschland: "Gekaufte WM ... Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ. Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung ein 10 zu 9 für Deutschland hatte. Ich bin froh, musste ich keinen Stichentscheid fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu gutmütig und zu naiv.“ Auf die Nachfrage, ob er, Blatter, vermute, die WM 2006 in Deutschland sei gekauft gewesen, antwortete der Schweizer: "Nein, ich vermute nichts. Ich stelle fest.“

Franz Beckenbauer, Präsident des WM-Organisationskomitees für 2006, sagte in Bild (Montag-Ausgabe) zu den Andeutungen Blatters: "Ich kann die Äußerungen und Andeutungen von Sepp Blatter nicht nachvollziehen. Er irrt ja schon beim Ergebnis. Es war 12:11 für uns, nicht 10:9. Entscheidend war, dass die acht Europäer geschlossen für uns gestimmt haben.“

Deutschland hatte vor zwölf Jahren in Zürich in einer Kampfabstimmung im 24-köpfigen Exekutivkomitee der Fifa mit 12:11 Stimmen den Zuschlag für die WM 2006 erhalten. Der Ozeanien-Vertreter Charlie Dempsey (Neuseeland) enthielt sich damals der Stimme, sodass die Bewerbung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) knapp die Oberhand behielt. Bei Stimmengleichheit hätte Blatter als Präsident für die Entscheidung gesorgt; er war bereits für 2006 ein Befürworter einer WM am Kap der guten Hoffnung gewesen. Südafrika wurde erst 2010 erster afrikanischer Gastgeber einer WM-Endrunde.

Auch Niersbachs Vorgänger Theo Zwanziger schloss in einer Reaktions auf Blatters Vorwürfe Schmiergelder an die damaligen Mitglieder der Fifa-Exekutive aus. "Ich habe nicht zum WM-Bewerbungskomitee gehört. Ich habe keine Anhaltspunkte, dass da in irgendeiner Weise etwas schief gelaufen ist. Auch habe ich viel zu viel Vertrauen in Franz Beckenbauer, Horst R. Schmidt und Wolfgang Niersbach, die damals verantwortlich waren“, sagte Zwainziger zu Sport Bild online.

Blatter wehrte sich unterdessen gegen Vorwürfe, er habe die Schmiergeldzahlungem innerhalb der Fifa wissentlich geduldet. "Ich heiße weder Bestechung gut, noch unterstütze oder rechtfertige ich sie“, sagte er dem SonntagsBlick. Von den Millionen-Zahlungen an Havelange und das langjährige -Exekutivmitglied Ricardo Teixeira habe er erst mit dem Bankrott des Fifa-Vermarkters ISL im Jahr 2001 erfahren.

"Es war die Fifa, die damals Strafanzeige erstattet hat und den ganzen ISL-Fall ins Rollen brachte“, betonte Blatter: "Die Leute, die mich attackieren, wissen, dass es so ist, aber sie lassen nicht locker. Sie wollen mich weg. Wenn ich nun sage, es sei schwierig, die Vergangenheit an heutigen Maßstäben zu messen, dann ist das eine generelle Feststellung.“

Das ganze Ausmaß der ISL-Affäre hat laut Niersbach "das komplette DFB-Präsidium erschüttert und geschockt“. Man könne ihn naiv nennen, sagte der DFB-Chef weiter, "aber ich habe das bis jetzt nicht glauben können“. Mit Blick auf die Sitzung der Fifa-Exekutive am Dienstag in Zürich sagte Niersbach: "Wir sind gespannt, ob es Konsequenzen gibt. Die Sitzung wurde ja anberaumt zur Verabschiedung des Reformprozesses. Aber aus meiner Sicht wird die Sitzung davon überschattet, was jetzt aktenkundig geworden ist.“

Auch die Haltung des IOC verstärkt Blatters wachsende Isolation. "Wir müssen uns mit den Dokumenten vertraut machen“, zitierte die Süddeutsche Zeitung nach eigener Anfrage zu der Affäre am Sonnabend eine IOC-Mitteilung. Zunächst jedoch scheint die weltweit größte Sportorganisation noch nicht die Initiative ergreifen zu wollen: "In erster Instanz ist diese Angelegenheit von der Fifa zu behandeln. Wir werden die Schritte beobachten, die sie unternimmt.“

Blatter gehört dem IOC seit 1999 an. Im vergangenen Winter noch hatte das IOC im Zusammenhang mit Havelanges Rücktritt aus dem IOC wegen drohender Ermittlungen aufgrund der Bestechungsvorwürfen ausdrücklich auf eine Untersuchung von Blatters Rolle in der Affäre um die ISL-Schmiergeldzahlungen verzichtet.