Blatter hatte zuletzt Unregelmäßigen bei der WM-Vergabe im Juli 2000 eingeräumt und Deutschland Vorwürfe gemacht.

Köln. Für den langjährigen Fifa-Direktor Guido Tognoni sind die Vorwürfe von Fußball-Weltverbands-Präsident Joseph S. Blatter in Richtung der deutschen WM-Bewerbung 2006 ein „Ablenkungsmanöver“. „Er braucht einen Befreiungsschlag. Aber das ist ein Schuss in den eigenen Fuß, denn alles ist unter Aufsicht von Sepp Blatter geschehen“, sagte der langjährige Mediendirektor der Fifa im ARD-Morgenmagazin.

Im Interview mit dem SonntagsBlick hatte Blatter erklärt: „Gekaufte WM ... Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ. Und man so statt 10 zu 10 bei der Abstimmung ein 10 zu 9 für Deutschland hatte. Ich bin froh, musste ich keinen Stichentscheid fällen. Aber, na ja, es steht plötzlich einer auf und geht. Vielleicht war ich da auch zu gutmütig und zu naiv.“ Auf die Nachfrage, ob er, Blatter, vermute, die WM 2006 in Deutschland sei gekauft gewesen, antwortete der Schweizer: „Nein, ich vermute nichts. Ich stelle fest.“

Tognoni („Blatter steckt in einem Überlebenskampf“) erklärte zur deutschen WM-Kandidatur für 2006: „Der Deutsche Fußball-Bund hat damals den Rahmen des Möglichen ausgeschöpft und zwei Jahre lang harte Lobbyarbeit betrieben.“ Der Eidgenosse sprach von Gefälligkeiten vonseiten des DFB, so den Abschluss von Freundschaftsspielen, die normalerweise nicht stattgefunden hätten. Bei der Abstimmung am 6. Juli 2000 hatte sich die DFB-Bewerbung mit 12:11 gegen Südafrika durchgesetzt.

Blatter sinniert über gekaufte WM-Vergabe an Deutschland

Tognoni gab zu bedenken, dass der Zeitpunkt der jüngsten Blatter-Aussagen zur WM 2006 doch sonderbar seien und der Fifa-Boss damals über alles eingeweiht gewesen sei: „Sepp Blatter war immer dabei. Er hätte es damals stoppen können, er wusste über jedes Detail Bescheid. Jetzt im Nachhinein zu kommen, finde ich billig.“

Dass Liga-Präsident Reinhard Rauball Blatter in einem Telefonat aufgrund der jüngsten Enthüllungen um Schmiergeldzahlungen an Fifa-Spitzenfunktionäre zum Rücktritt aufgefordert hat und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach ebenfalls auf Distanz zum Fifa-Chef gegangen ist, deutet die deutsche Entschlossenheit an. Allerdings steht Deutschland „ziemlich alleine“, so Tognoni: „Wenn morgen ein Kongress einberufen würde mit 208 Verbänden, hätte Sepp Blatter keine große Mühe, 105 Verbände auf seine Seite zu ziehen.“

(sid)