Der Fifa-Präsident steht in der Kritik. Hat der damalige Generalsekretär von Schmiergeldzahlungen an Ex-Fifa-Boss Joao Havelange gewusst?

Berlin. Als Reformer des Fußball-Weltverbandes Fifa hat sich Joseph Blatter in den vergangenen Monaten präsentiert. Die Fifa solle demokratischer, transparenter, moderner werden, versprach der 76-Jährige noch auf dem Fifa-Kongress im Mai dieses Jahres in Budapest. Der Fifa-Präsident unterfütterte diese Haltung auch mit ein paar wenigen strukturellen Veränderungen. Mit großen Worten und kleinen Schritten wollte er eine korruptionsfreie Zukunft im Verband einläuten.

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Doch mit der Veröffentlichung einer Einstellungsverfügung, die einen Einblick über die Hintergründe und die Mitwisserschaft von Fifa-Präsident Blatter an Schmiergeldzahlungen gewährt, dürfte dessen Rolle als Erneuerer wenig glaubhaft sein. Auf der Webseite Fifa.com gab der Präsident am Nachmittag indirekt zu, von Zahlungen des Rechtevermarkters ISL an hohe Funktionäre in den 90er-Jahren gewusst zu haben. „Solche Provisionen konnte man damals sogar von der Steuer absetzen“, sagte Blatter, „heute wären sie strafbar.“ Er könne also nicht von Verstößen gewusst haben, die gar keine waren. Dennoch: Die Vergangenheit hat den Schweizer eingeholt.

Nun war Joseph Blatter immer ein Meister des Verkaufens – auch von schlechten Nachrichten. Wer aber soll ihm und seinem Verband diesmal abkaufen, dass die Fifa über das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, die Einstellungsverfügung offenzulegen, „erfreut“ sei, wie es auf der Homepage des Verbandes steht? Selbstbewusst stellt der Verband das Dokument der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug auf seine Website, ganz so, als handelte es sich hierbei um Entlastungsmaterial.

Doch sind darin Zahlen aufgeführt, bei denen einem schwindlig werden kann. Laut Gericht bezahlte die 2001 insolvent gegangene Sportvermarktungsagentur ISL/ISMM zwischen 1989 und 1998 insgesamt „Provisionen von CHF 122'587'308.93“. Zwischen 1999 und 2001 kamen weitere rund 37,4 Millionen Franken hinzu. Insgesamt schüttete die ISL also fast 160 Millionen Franken bzw. knapp über 130 Millionen Euro an Provisionen aus. Zu den Zahlungsempfängern gehörte das ehemalige Fifa-Exekutivmitglied Ricardo Teixeira sowie der frühere Fifa-Präsident Joao Havelange. Teixeira wird von der Staatsanwaltschaft der Empfang von über zwölf Millionen Euro nachgewiesen, Havelange hat über 1,5 Millionen Euro kassiert.

Kenntnisse über Schmiergeldzahlungen in der Fifa

Die Staatsanwaltschaft Zug kennzeichnet in der Einstellungsverfügung deutlich die Mitverantwortung und Mitwisserschaft des Verbandes – und damit auch von dessen Präsidenten Joseph Blatter. So heißt es darin, dass die „Kenntnis der Fifa von Schmiergeldzahlungen an Personen ihrer Organe nicht infrage gestellt werden kann.“ Und weiter: „Das Unternehmen steht nicht wegen der Anlasstat am Pranger, sondern wegen des Vorwurfs eines Organisationsmangels.“

Die Fifa interpretiert das am Mittwoch veröffentlichte Verdikt des Schweizerischen Bundesgerichts vom 3. Juli freilich zu ihren Gunsten. „In seinem Urteil bestätigte das Bundesgericht zudem, dass nur die Namen von zwei ausländischen Funktionären offengelegt werden und der Fifa-Präsident, wie bereits in der Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft Zug festgehalten (keine Schweizer beteiligt), nicht in den Fall verwickelt ist“, teilte der Verband mit. Doch Blatter als oberster Funktionär ist maßgeblich verantwortlich für den beschriebenen Organisationsmangel und auch dafür, dass die ISL-Einstellungsverfügung erst so spät offengelegt wurde. So hätte die Fifa als betroffene Partie die Veröffentlichung jederzeit selbst vornehmen können. Blatter gerät in Erklärungsnot – zumal transparente Verfahren in seinen Reformvorhaben einen wichtigen Platz einnehmen.

Überhaupt hätte für Blatter und die Fifa der Zeitpunkt der Veröffentlichung ungünstiger kaum sein können. Am kommenden Dienstag soll in einer Sitzung des Fifa-Exekutivkomitees das neue Ethikreglement verabschiedet werden. Und wenn Blatter Wort halten und die Fifa moderner gestalten will, dann müssten darin Formulierungen enthalten sein, die auch für ihn selbst Konsequenzen nach sich ziehen müssten.