Fifa-Präsident Joseph Blatter gerät immer weiter unter Druck. Doch der Fußball-Funktionär wehrt sich. DFB-Präsident zeigt sich “geschockt“.

Berlin/Köln. Fifa-Präsident Joseph Blatter wehrt sich in einem Interview gegen die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre im Fußball-Weltverband. "Sie wollen mich weg“, sagte Blatter nach Angaben der FIfa vom Sonnabendabend in einem Interview mit der Schweizer Zeitung "SonntagsBlick“. Er habe nie Schmiergeld angenommen, die Fifa habe die Ermittlungen durch eine Anzeige gar selbst ins Rollen gebracht. "Die Leute, die mich attackieren, wissen, dass es so ist, aber sie lassen nicht locker.“

Während seiner Zeit als Fifa-Generalsekretär habe er von den Schmiergeldzahlungen der inzwischen insolventen Marketingfirma ISMM/ISL an seinen Vorgänger Joao Havelange nichts gewusst. "Ich habe es erst später erfahren, nach dem Kollaps von der ISL im Jahr 2001“, sagte der 76-Jährige. "Wenn ich nun sage, es sei schwierig, die Vergangenheit an heutigen Maßstäben zu messen, dann ist das eine generelle Feststellung. Ich heiße weder Bestechung gut, noch unterstütze oder rechtfertige ich sie“, betonte der Schweizer. Das aber werde ihm nun vorgeworfen. Blatter war bis 1998 Fifa-Generalsekretär und beerbte Havelange dann als Präsident.

Zwischen 1989 und 2001 bezahlte ISMM/ISL Provisionen an hochrangige Fifa-Funktionäre, von denen lediglich der langjährige Fifa-Boss Havelange und dessen brasilianischer Landsmann Ricardo Teixeira namentlich bekannt sind. Das geht aus Dokumenten hervor, deren Veröffentlichung das Schweizer Bundesgericht am Mittwoch erlaubte.

Präsident Wolfgang Niersbach vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) grenzte sich am Sonnabend "geschockt“ namens des größten Fifa-Mitgliedsverbandes nachdrücklich von seinem Kollegen ab, und das Internationale Olympische Komitee (IOC) bereitet offenkundig schon Untersuchungen gegen sein Mitglied Blatter vor.

Einen Tag nach der Rücktrittsforderung des deutschen Liga-Chefs und DFB-Vizepräsidenten Reinhard Rauball an Blatter ("Nach dem derzeitigen Stand sollte Sepp Blatter seine Amtsgeschäfte schnellstmöglich in andere Hände geben“) machte Niersbach aus seiner Empörung über die seit vergangenen Mittwoch offiziellen Korruptionsfälle in der Fifa-Spitze und besonders auch Blatters Umgang mit dem Thema kein Hehl.

"Die Reaktion des Fifa-Präsidenten hat mich geschockt. Wenn nicht unbedeutende Persönlichkeiten der Fifa Geld kassiert haben und die Reaktion darauf ist, dass das damals nicht verboten war, dann können wir uns als DFB davon nur klar distanzieren“, sagte Niersbach am Rande der DFB-Schiedsrichtertagung in Altensteig-Wart. Die Frage nach Konsequenzen für Blatter ließ Niersbach offen: "Bei diesen Dingen stehen immer die Beteiligten selbst im Mittelpunkt. Das muss er selbst entscheiden.“

Das ganze Ausmaß der ISL-Affäre hat laut Niersbach "das komplette DFB-Präsidium erschüttert und geschockt“. Man könne ihn naiv nennen, sagte der DFB-Chef weiter, "aber ich habe das bis jetzt nicht glauben können“. Mit Blick auf die Sitzung der Fifa-Exekutive am Dienstag in Zürich sagte Niersbach: "Wir sind gespannt, ob es Konsequenzen gibt. Die Sitzung wurde ja anberaumt zur Verabschiedung des Reformprozesses. Aber aus meiner Sicht wird die Sitzung davon überschattet, was jetzt aktenkundig geworden ist.“

Auch die Haltung des IOC verstärkt Blatters wachsende Isolation. "Wir müssen uns mit den Dokumenten vertraut machen“, zitierte die Süddeutsche Zeitung nach eigener Anfrage zu der Affäre am Sonnabend eine IOC-Mitteilung. Zunächst jedoch scheint die weltweit größte Sportorganisation noch nicht die Initiative ergreifen zu wollen: "In erster Instanz ist diese Angelegenheit von der Fifa zu behandeln. Wir werden die Schritte beobachten, die sie unternimmt.“

Blatter gehört dem IOC seit 1999 an. Im vergangenen Winter noch hatte das IOC im Zusammenhang mit Havelanges Rücktritt aus dem IOC wegen drohender Ermittlungen aufgrund der Bestechungsvorwürfen ausdrücklich auf eine Untersuchung von Blatters Rolle in der Affäre um die ISL-Schmiergeldzahlungen verzichtet.

Unterdessen bröckelt wegen der Affäre in Brasilien das Denkmal des einstigen Fifa-Bosses Joao Havelange. Kritiker brachten in sozialen Netzwerken eine Kampagne zur Umbenennung des nach Havelange benannten Olympiastadions in Rio de Janeiro in Gang. Das 2007 für die Panamerikanischen Spiele eröffnete Stadion, das 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio Schauplatz der Leichtathletik-Wettbewerbe sein soll, war der 96 Jahre alte Havelange für seine Verdienste um den Sport weltweit und auch in seiner Heimat gewidmet worden. Die offizielle Bestätigung von ISL-Schmiergeldern für Havelange jedoch hat im Gastgeberland der Fußball-WM 2014 zu einem rapiden Ansehensverlust des greisen Ex-Funktionärs geführt.

Mit Material von dpa und sid