Ex-HSV-Star Jörg Albertz hat in seiner aktiven Zeit als Fußballer in China die Auswirkungen des Wettbetrugs hautnah miterlebt.

Neuss. Dass die Wettmafia im größten Betrugsskandal in der Geschichte des europäischen Fußballs ihre Millionen vor allem auf dem korrupten chinesischen Markt erschwindelt hat, wundert vor allem Ex-Nationalspieler Jörg Albertz nicht. «Es gab schon viele Dinge, die mir spanisch vorgekommen sind. Im einen Jahr wirst du Meister und bekommst dann noch Verstärkungen, und in der nächsten Saison verlierst du nur noch. Da konnte was nicht stimmen, denn wir haben Tore kassiert, die eigentlich gar nicht möglich waren», sagte Albertz am Freitag dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Der 150-malige Bundesligaspieler war im Februar 2003 als erster deutscher Profi in die chinesische Liga gewechselt, wo er auf Anhieb mit Shanghai Shenhua Meister wurde und im selben Jahr als Fußballer des Jahres ausgezeichnet wurde. Zwei Jahre später kehrte Albertz China aber frustriert den Rücken. Denn manche seiner Mitspieler standen auf dem Platz nur noch wie Wachsfiguren herum, wehrten sich nicht mehr gegen die Niederlagen.

Und auch die Schiedsrichter in China waren offenbar alles andere als unparteiisch. «Ein Schiedsrichter pfeift Ecke für den Gegner, obwohl weit und breit von unseren Spielern keiner in der Nähe war - oder auch umgekehrt», sagte Albertz der nur einmal am Rande etwas von Manipulations-Absprachen mitbekommen hatte: «Über meinen damaligen Dolmetscher habe ich mal Wortfetzen aufgeschnappt, dass Spieler von anderen Klubs oder irgendwelchen Personen angerufen wurden, um Absprachen zu treffen.»

Seit einer Woche hat Albertz Gewissheit - die Spiele wurden verschoben. Ein Richter verhängte eine Geldstrafe in Höhe von rund 80.000 Euro, weil Shenhua im Meisterjahr 2003 Schiedsrichter bestochen haben soll. «Ich war froh, dass das Abenteuer nach zwei Jahren zu Ende ging», sagte Albertz.

So ähnlich erging es auch Bielefelds Jahrhunderttrainer Ernst Midddendorp, der es bei Yatai Changchun nur drei Monate aushielt. Zuvor hatte er bei zwei Spielen seines Klubs das Gefühl, das der Spielausgang sehr seltsam war. «Es war alles sehr merkwürdig, deshalb habe ich für mich persönlich schnell die Konsequenzen gezogen», sagte Middendorp dem SID.

Beim 6:0 gegen Guangzhou verzichtete der gegnerische Trainer auf seine Leistungsträger, weil es für die zu kalt gewesen wäre an jenem Tag. Beim 0:3 von Middendorps Mannschaft gegen Yuandong hatten sich drei seiner eigenen Leistungsträger kurzfristig krank gemeldet. Die Ersatzleute leisteten sich katastrophale Patzer.

Die Wettbetrüger um den bereits wieder inhaftierten Drahtzieher aus dem Hoyzer-Skandal, Ante S., machten sich allerdings weniger die chinesischen Fußballer und Schiedsrichter, sondern offenbar vielmehr den wild wuchernden Wettmarkt im Reich der Mitte zunutze. Am Freitag berichtete ein Verbindungsmann von Ante S. erstmals detailliert über die Vernetzung der Wettmafia zwischen Deutschland, Österreich und China.

In der Kleinen Zeitung enthüllt ein gewisser «Zoran» aus Hamburg, der sich im Wettreich von Ante S. im vergangenene Jahr hochgearbeitet haben soll, dass offenbar im österreichischen Graz die Drähte der illegalen Buchmacher aus Asien zusammenliefen. «In Graz wurden die Wetten platziert. Hier saß der Mann mit den Kontakten zu den asiatischen Buchmachern», sagte der Serbe.

Zoran erklärte zudem, wie kriminell der Umgang der Wettmafia mit Profis war, die zur Manipulation von Spielen angeheuert werden sollten. Gesucht wurden überwiegend Legionäre aus dem Balkan-Raum: «Über die haben wir alle Informationen eingeholt: Welche Freunde hat er, welchen Umgang, welche Hobbys, ist er verschuldet? Dann sind sie angesprochen worden, Geld wurde geboten.» Falls einer ablehnte, gab es andere Druckmittel: «Bei Serben baten wir in Belgrad um Hilfe - nach einem Anruf haben sie auch mitgemacht.»