Der Skandal erreicht europaweit immer größere Ausmaße. Zudem beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft mit der Rostocker “Spaghetti-Affäre“.

Frankfurt/Main. In Deutschland sehen sich DFB-Präsident Theo Zwanziger und die Bundesliga starker Kritik der Klassenlotterie ausgesetzt, in Spanien droht der europäische Wett- und Manipulationsskandal weitaus größere Ausmaße als zunächst befürchtet anzunehmen. Nach Informationen der Sporttageszeitung „Marca“ soll im Land des Europameisters gegen bis zu 300 Fußballer ermittelt werden. Der Skandal habe „die Ausmaße eines Tsunamis“. Heftige Schelte an Spaniens Fußball-Verband RFEF betrieb das Blatt „El Pais“: „Der Verband trägt nicht dazu bei, Licht in die Affäre zu bringen. Damit macht er den Skandal nur noch schlimmer.“

Nach Angaben des RFEF ermittelt die spanische Staatsanwaltschaft gegen die Zweitligisten Rayo Vallecano und UD Las Palmas sowie sieben Profis, die Spiele manipuliert haben sollen. Es soll sich dabei um sechs Spieler aus der zweiten und dritten Liga sowie den inzwischen zum Erstligisten Real Saragossa gewechselten Torhüter Javier Lopez Vallejo handeln. Der Keeper beteuert jedoch seine Unschuld: „Ich habe mit der Sache nicht das Geringste zu tun.“

Unterdessen ist der Streit um eine Teil-Liberalisierung des Wettmarktes zwischen dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Klassenlotterie voll entbrannt. DFB-Boss Zwanziger musste sich persönlich scharfe Kritik vom Vorstand der Deutschen Klassenlotterie Berlin, Hansjörg Höltkemeier, gefallen lassen. Höltkemeier warf Zwanziger und den Bundesligaklubs vor, sich für eine Liberalisierung des Wettmarktes einzutreten und sich damit vom Breitensport zu „entsolidarisieren“. „Es ärgert mich ungemein, dass sich der Spitzensport vom Breitensport entsolidarisiert und Zwanziger diese Entwicklung als größter Breitensportführer des Landes auch noch befeuert“, sagte Höltkemeier der Zeitung "Die Welt".

Der DFB wies die Vorwürfe zurück. „Ausgerechnet einem Verband, der in den vergangenen Wochen und Monaten für sein gemeinnütziges Engagement große gesellschaftliche Anerkennung erfahren hat, eine Entsolidarisierung von der Basis und der Gesellschaft vorzuwerfen, ist falsch und einfach lächerlich“, entgegnete DFB-Sprecher Stephan Brause. Höltkemeier hält die Nähe der Bundesligaklubs zu privaten Wettanbietern als Sponsoren sowie eine Teil-Liberalisierung des Wettmarktes für gefährlich: „Wenn die Schleusen erstmal geöffnet sind, gibt es keine wettbewerbsrechtliche Grundlage, nur ausgewählte Anbieter zuzulassen. Über kurz oder lang wird dann der Markt überschwemmt und eine staatliche Kontrolle kaum noch möglich.“

Das sieht der DFB anders. „Auch der Deutschen Klassenlotterie in Berlin dürfte bekannt sein, dass der aktuelle Stand unbefriedigend ist“, sagte Brause. Bei der Frage, welcher Weg für die Sportwetten in Deutschland künftig der richtige sei, könne man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Es müsse aber das gemeinsame Ziel aller Beteiligten sein, den Sportwettenmarkt in Deutschland manipultationsfrei zu halten und die Erträge zu steigern. Oddset ist die einzig legale Fußballwette in Deutschland. Die Bundesländer haben das Monopol bis 2011 im Staatsvertrag festschreiben lassen, dessen Rechtmäßigkeit derzeit vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg überprüft wird. Zudem wird sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 8. Dezember damit befassen. Im Gegensatz zur staatlichen Wette kann bei Privatanbietern auch auf Spiele unterhalb der zweiten Liga gesetzt werden. Zudem sind Wetten auf Ereignisse im laufenden Spiel möglich, die als besonders leicht manipulierbar gelten.

Unterdessen hat die vermeintliche Spaghetti-Vergiftung der Spieler des Fußball-Zweitligisten Hansa Rostock hat nun auch die im Wettskandal ermittelnde Bochumer Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Oberstaatsanwalt Gerrit Gabriel wollte sich zwar nicht zum Umfang der Ermittlungen äußern, sagte aber: „Tatsache ist, dass wir von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen werden, wenn es neue Erkenntnisse gibt.“ Die scheinen im Zusammenhang mit dem größten Betrugsskandal in der Geschichte des europäischen Fußballs vorzuliegen. Vor dem Spiel des damaligen Zweitliga-Tabellenzweiten gegen Schlusslicht Eintracht Braunschweig am 13. April 2007 (1:1) hatten sechs Hansa-Profis nach Angaben der Ostsee-Zeitung im Anschluss an den Verzehr von Nudeln im Hotel „Courtyard Marriott“ eine Lebensmittelvergiftung.

Betroffen waren Kim Madsen, Gledson, Enrico Kern, Regis Dorn, Djordjije Cetkovic und Marc Stein. Stein, der mittlerweile bei Hertha BSC Berlin unter Vertrag steht, erklärte: „Das waren ganz komische Nudeln. Nach einer halben Stunde bekam ich Bauchschmerzen und konnte kaum noch laufen.“ Stein konnte gegen Braunschweig nur eine Halbzeit spielen. Cetkovic wollte ebenfalls ausgewechselt werden, hielt aber durch, bevor ihn Pagelsdorf erlöste. „Kern und Dorn hätte ich runternehmen müssen, aber es ging nicht mehr“, sagte Pagelsdorf.

In der vergangenen Woche hatte bereits Burkhard Benecken, Anwalt des vermeintlichen Wettpaten Deniz C., im Zuge des Wettskandals über die „russischen Methoden“ der Wettmafia berichtet. „Es sollen Chefköche von Luxushotels angesprochen worden sein, damit sie Giftstoffe in das Essen von Spielern mischen. Die Verdächtigen sollen sehr konspirativ gearbeitet haben. Ungewöhnlich gewalttätig“, hatte Benecken erklärt. Der damalige Hoteldirektor Joachim Pöpping kann sich nicht vorstellen, dass einer seiner Köche die Spaghetti der Hansa-Profis vergiftet hat: „Köche verdienen gut. Für die paar Kröten, die in solch einem Fall angeboten werden, macht das keiner.“