Ex-HSV-Trainer Frank Pagelsdorf befürchtet eine Vergiftung seiner Spieler. Unterdessen hat der Skandal auch Spanien und Dänemark erreicht.

Neuss. Im Zuge des Wettskandals sollte im Jahr 2007 offenbar sogar der Aufstieg des Fußball-Zweitligisten Hansa Rostock in die Bundesliga verhindert werden. Wie der damalige Hansa-Trainer Frank Pagelsdorf am Mittwoch berichtete, soll den Rostocker Spielern am Vorabend des Spiels bei Eintracht Braunschweig (1:1) am 13. April 2007 etwas Unverträgliches in die Spaghetti Bolognese gemischt worden sein.

«Im Zuge des Wettskandals erscheint das jetzt in einem ganz anderen Licht! Das Komische war, dass es nicht nur einen Spieler betroffen hat, sondern gleich die halbe Mannschaft», sagte Pagelsdorf der Bild-Zeitung. So hatte sich unter anderem Enrico Kern nach dem Verzehr der Nudeln übergeben, während alle anderen Restaurant-Gäste keine Beschwerden hatten.

In der vergangenen Woche hatte bereits Burkhard Benecken, Anwalt des vermeintlichen Wettpaten Deniz C., im Zuge des größten Betrugsskandals in der europäischen Fußball-Geschichte über die «russische Methoden» der Wettmafia berichtet. «Es sollen Chefköche von Luxushotels angesprochen worden sein, damit sie Giftstoffe in das Essen von Spielern mischen. Die Verdächtigen sollen sehr konspirativ gearbeitet haben. Ungewöhnlich gewalttätig», hatte Benecken erklärt.

Verler Neumann von Mitspieler belastet

Der mit im Zentrum des Wettskandals stehende Fußball-Regionalligist SC Verl kommt weiter nicht zur Ruhe: So soll der suspendierte Verler Kapitän Patrick Neumann versucht haben, Mitspieler zur Manipulation anzustiften. Das sagte dessen früherer Teamkollege Christian Knappmann der Sport Bild.

«Im Training kam Pepe zu mir. Er meinte: Knappi, kriegst du auch so miese Prämien. Lass uns doch mal gegen uns wetten», soll Patrick Neumann, der von seinen Mitspielern offenbar «Pepe» gerufen wurde, laut Knappmann gesagt haben: «Ich hielt das für einen dummen Spruch, er wollte wahrscheinlich erst mal bei mir vorfühlen. Ich habe aber sofort gesagt: So ein Quatsch!»

Verl-Angreifer Knappmann ging eigenen Angaben zufolge nach Bekanntwerden des Skandals durch die Staatsanwaltschaft Bochum vor knapp zwei Wochen zusammen mit einem Teamkollegen zur Vereinsführung und berichtete, dass Neumann ihn möglicherweise für Manipulationen gewinnen wollte.

«Jetzt im Nachhinein ergibt alles einen Sinn. Zum Beispiel, dass einer unserer Spieler ein Training plötzlich abbrach mit Muskelfaserriss. Wir haben ihn wochenlang damit aufgezogen, weil ihm das niemand abnahm. Wir dachten, er hätte keine Lust auf Training. Nun ist klar, warum er das wirklich gemacht hat. Er bekam vor dem Gladbach-Spiel ein konkretes Angebot. Nach seiner Ablehnung wurde er unter Druck gesetzt, bekam Angst - und ließ sich lieber krankschreiben», sagte Knappmann.

Derweil ist der beschuldigte Neumann aus Angst vor Racheakten der Wettmafia bei seiner Freundin ausgezogen und hält sich derzeit an einem unbekannten Ort versteckt. Unter anderem sollte das Spiel des SC Verl gegen Borussia Mönchengladbach II im Mai verschoben werden, doch Verl gewann auch dank zweier Tore von Knappmann entgegen der Absprache mit 4:3. Neumann waren von der Wettmafia für eine Niederlage «zwischen 5.000 und 10.000 Euro» versprochen worden. Neumann will nach Angaben seines Anwalts Lutz Klose möglicherweise noch einmal bei der Staatsanwaltschaft aussagen.

Unterdessen soll nach Angaben der Sport Bild unter anderem auch ein nordrhein-westfälischer Sechstligist in den Betrugsskandal verwickelt sein. Der SV Lippstadt 08 hat bereits Anwalt Georg Schierholz eingeschaltet. «Wir haben Hinweise bekommen, dass auch wir betroffen sind», sagte Schierholz, der nun auch Akteneinsicht bei der Bochumer Staatsanwaltschaft beantragen will.

Wettskandal hat endgültig auch Spanien erreicht

Der Wettskandal im europäischen Fußball hat endgültig auch das Land des Europameisters erreicht. Nachdem am Dienstag erste Verdächtigungen in Spanien aufgekommen waren, wurden am Mittwoch konkrete Namen und Zahlen genannt. Demnach ermittelt die spanische Staatsanwaltschaft nach Angaben des nationalen Fußball-Verbandes RFEF gegen die Zweitligisten Rayo Vallecano und UD Las Palmas sowie sieben Profis, die Spiele manipuliert haben sollen. Es soll sich dabei um sechs Spieler aus der zweiten und dritten Liga sowie einen Torwart von Erstligist Real Saragossa handeln.

Im Blickpunkt der Ermittlungen steht unter anderem die Zweitliga-Partie zwischen UD Las Palmas und Rayo Vallecano, die am 13. Juni torlos endete und bei der es zu lediglich zwei Torschüssen gekommen sein soll. «Der Verband hat Ermittlungen gegen Las Palmas, Rayo Vallecano und Spieler von anderen Mannschaften eingeleitet», hieß es in einer Mitteilung von Las Palmas.

Der Klub von den Kanarischen Inseln nannte sieben angeblich verwickelte Spieler, die allesamt nicht im Kader von Las Palmas stehen. Die bekanntesten Spieler darunter waren Saragossas Keeper Javier Lopez Vallejo und Vallecano-Angreifer Piti. Saragossa wollte die Vorwürfe gegen seinen Torwart zunächst nicht bestätigen, Rayo Vallecano erklärte indes, dass Ermittlungen gegen den genannten Spieler und den Verein laufen.

Unterdessen ist offenbar auch der dänische Spitzenklub FC Kopenhagen ins Visier der Ermittler gerückt. Das bestätigte am Mittwoch Anwalt Burkhard Benecken, nachdem er einen Tag lang Einsicht in die Akten der Bochumer Staatsanwaltschaft hatte. «Der FC Kopenhagen wird als Verdachtsmannschaft geführt», sagte Benecken der Sport Bild.

So soll es unter anderem um die Qualifikationsspiele zur Champions League zwischen Kopenhagen und Apoel Nikosia aus Zypern im August 2009 gehen. Kopenhagen verlor nach einem 1:0 im Hinspiel das Rückspiel überraschend 1:3 und verpasste die Gruppenphase der Königsklasse.

DFB kann nicht auf Schadenersatz verklagt werden

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) kann im Zuge des Wettskandals von betroffenen Klubs nicht auf Schadenersatz verklagt werden. «Gegen die Verbände bestehen keine Ansprüche, da diese selbst Opfer sind und sie kein Verschulden trifft. Man stelle sich vor, ein Verein, der an Manipulationen mitgewirkt hat, qualifiziert sich für die Champions League. Und ein anderer Klub dafür nicht. Da könnten dann ganz schnell Schadenersatzforderungen des benachteiligten Vereins in Millionenhöhe entstehen, für die aber nur die Schuldigen und nicht der DFB oder die DFL die Haftung zu übernehmen haben», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Zudem hat der DFB nach dem Hoyzer-Skandal im Jahr 2005 seine Statuten in der Form geändert, dass nach einer bereits abgelaufenen Saison manipulierte Spiele nicht mehr wiederholt werden können, obwohl möglicherweise Mannschaften zu Unrecht abgestiegen sind. «Es gibt keine Alternative. Denn wenn man in so einer Situation einem Klub hilft, schadet man einem anderen, der noch weniger mit der Sache zu tun hat. Nehmen wir das in der ARD-Sendung Fakt gebrachte Beispiel des angeblich 2007 wegen Manipulationen abgestiegenen Zweitligisten. Wenn wir drei Jahre später anfangen zu versuchen, dem betroffenen Verein gerecht zu werden, dann sind zig andere Vereine ebenfalls mittelbar davon betroffen. Der eingetretene Schaden ist irreparabel», sagte Koch.

Die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag hat sich vehement gegen die von den Profiligen geforderte Öffnung des Marktes für private Wettanbieter ausgesprochen. «Eine Abkehr vom Staatsvertrag und eine Kommerzialisierung der Sportwetten könnte besonders manipulationsanfällige Wettformen zur Folge haben und würde das Problem vielleicht sogar noch verschärfen», sagte Freitag der Sport Bild.

Am Mittwoch hatte die neue Sportausschuss-Vorsitzende Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der Deutschen Fußball Liga (DFL) und des Weltverbandes FIFA nach Berlin geladen, um die Auswirkungen des größten Betrugsskandals in der Geschichte des europäischen Fußballs zu diskutieren. Dabei wollte DFB-Vizepräsident Rainer Koch auch eine mögliche Öffnung des Wettmarktes diskutieren.

Während sich die Politik aber weiter gegen eine Liberalisierung des Wettmarktes zur Wehr setzt, hatte zuletzt die neugegründete Initiative Profisport Deutschland (IPD) für eine Öffnung plädiert. Der Interessengemeinschaft gehören neben der DFL, die Deutsche Eishockey Liga (DEL), die Basketball-Bundesliga (BBL) und die Handball-Bundesliga (HBL) an. «Das Wettmonopol hat nicht dazu beigetragen, den Wettskandal zu verhindern. Die jetzige Situation hat nur Verlierer», sagte BBL-Geschäftsführer Jan Pommer angesichts der Manipulationsaffäre im Fußball.

Die Bundesländer haben das Monopol der Oddset-Sportwette bis 2011 in ihrem Staatsvertrag festschreiben lassen. Demnach ist Oddset in Deutschland neben Pferdewetten die einzige legale Sportwette. Im Dezember steht das Monopol wegen einer anberaumten Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) allerdings auf der Kippe.

«Gegen den Schwarzmarkt muss man ein Bollwerk aufbauen. DFB-Präsident Theo Zwanziger kritisiert zu Recht, dass das Monopol der staatlichen Sportwette Oddset viele Zocker auf den schwarzen Wettmarkt treibt. Man sollte den Markt für seriöse, lizenzierte Anbieter öffnen. So herrscht mehr Transparenz. Für die Mafia wird es unattraktiver, an Fußball-Ergebnissen zu drehen», hatte zuletzt auch «Fußball-Kaiser» Franz Beckenbauer erklärt.

UEFA warnt vor illegalen Gewinnspielen

Als Reaktion auf den Wettskandal warnt die Europäische Fußball-Union (UEFA) im Zuge der Endspiele der Europa League (12. Mai 2010 in Hamburg) und der Champions League (25. Mai2010 in Madrid) die Fans vor illegalen Gewinnspielen.

Die UEFA wird regelmäßig auf Mails hingewiesen, in denen Empfänger darüber informiert werden, dass sie bei einem Gewinnspiel als Sieger ausgelost wurden und erhebliche Geldsummen gewonnen haben. Diese Gewinnspiele geben sich als offiziell aus und verwenden offizielle UEFA-Logos. Die UEFA betont allerdings, dass weder sie selbst noch ihre offiziellen Partner oder ihre Wettbewerbe in irgendeiner Verbindung zu diesen Gewinnspielen stehen.

Die UEFA empfiehlt den Fans ausdrücklich, Mails mit dem Bezug zu Gewinnspielen oder Geldpreisen sehr vorsichtig zu behandeln. Auf keinen Fall sollten persönliche Daten oder gar Bank- beziehungsweise Kreditkarten-Informationen weitergegeben werden. Die UEFA wies darauf hin, dass sie keine Lotterien organisiere und auch niemals unerwünschte Mails versende.