Während sich Neumann aus Angst vor Racheakten an einem unbekannten Ort aufhält, nimmt der DFB die Staatsanwaltschaft Bochum in die Pflicht.

Frankfurt/Main. Ein Spieler auf der Flucht, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in Not: Während der im Zuge des Wettskandals beim Regionalligisten SC Verl suspendierte Kapitän Patrick Neumann aus Angst vor Racheakten der Wettmafia bei seiner Freundin auszog und sich an einem unbekannten Ort aufhält, nimmt der DFB die ermittelnde Staatsanwaltschaft Bochum wegen ihrer bislang äußerst dürftigen Informationspolitik in die Pflicht.

«Es ist absolut schädlich, wenn wir es nicht schaffen, möglichst schnell Klarheit zu bekommen. Je länger wir hingehalten werden, desto schwieriger wird der Vorgang und desto größer der drohende Schaden. Und ich habe ehrlich gesagt ein wenig Bedenken, dass der ganze Vorgang ausgeht wie das bekannte Hornberger Schießen, wenn die Staatsanwaltschaft die Überlassung von Informationen und vor allem die Akteneinsicht weiter herauszögert», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch dem Sport-Informations-Dienst (SID).

Koch wird am Mittwoch gemeinsam mit Vertetern der DFL und der FIFA dem Sportausschuss des Bundestages in Berlin Bericht erstatten. Wichtig sind aber vor allem die Informationen der Staatsanwaltschaft über möglicherweise in der laufenden Saison manipulierte Spiele.

«Wir hoffen daher, dass die Staatsanwaltschaft Bochum unser Anliegen erkennt und wir nicht erst Ende des Jahres Einsicht in die Akten bekommen. Wir stehen bereits in der Mitte der Spielzeit und dürfen bei der Aufklärung von konkreten Spielmanipulationen, was die Strafverfolger erfahrungsgemäß weniger interessiert, keine Zeit verlieren. DFB und DFL müssen im Interesse von Millionen Fußballfans und der Integrität unserer Wettbewerbe möglichst schnell wissen, ob Partien der laufenden Saison manipuliert worden sind», sagte Koch.

Die Sportdach-Verbände stochern auch knapp zwei Wochen nach Bekanntwerden des Wettskandals weiter im Dunkeln. Erst in rund drei Wochen will die ermittelnde Behörde den Verbänden erstmals Einsicht in die brisanten Unterlagen gewähren. Damit droht dem DFB ebenso wie der DFL und der angeblich ebenfalls in den massiven Betrugsskandal verwickelten Basketball-Bundesliga kurz vor Weinhachten eine böse Bescherung.

Doch auch die Politik ist mit ihrer Geduld offenbar am Ende. Deshalb hofft die neue Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag darauf, dass in den kommenden Tagen weitere betroffene Spieler oder Referees bei der Polizei ein Geständnis ablegen. «Ich würde mir wünschen, dass weitere am Skandal beteiligte Personen aussagen, um den Sumpf trockenzulegen», sagte Freitag dem SID.

Unterdessen bestätigte der Anwalt des ehemaligen Verler Kapitäns Neumann, Lutz Klose, dass sein Mandant aus Angst vor Repressalien der Wettmafia derzeit abgetaucht ist. «Patrick geriet in Furcht und Panik. Er kann die Kontaktmänner identifizieren», sagte Klose dem Kölner Stadtanzeiger: «Diesmal wurde nicht nur mit List und Schmiergeld, sondern auch mit Einschüchterung und Gewalt agiert.»

Die mutmaßlichen Wettpaten hatten Neumann nach Angaben von Klose vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach II im Mai (4:3) für eine Niederlage «zwischen 5.000 und 10.000 Euro» versprochen. «Er hat das nicht sofort abgelehnt. Deshalb konnten die Betrüger ihn anschließend massiv unter Druck setzen und eine Drohkulisse aufbauen», sagte der Rechtsanwalt.

Nach dem Spiel erhöhten die vermeintlichen Wettbetrüger laut Klose den Druck auf Neumann: «Es hieß dann: Wir haben großen Schaden, und du musst das wieder gutmachen.» Anschließend seien beim Training der Verler «zwei Schlägertypen» erschienen, um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen.

Derweil hat das Teilgeständnis des am Montag beim Drittligisten SV Sandhausen entlassenen Marcel Schuon bei dessen letztjährigen Arbeitgeber VfL Osnabrück Fassungslosigkeit ausgelöst. «Durch den Abstieg haben wir fünf Millionen Euro weniger Etat, mussten deshalb Mitarbeiter entlassen», berichtete VfL-Manager Lothar Gans über die massiven Auswirkungen des Abstiegs in die 3. Liga.

Schuon spielte Ende letzter Saison beim VfL und hatte in einer Aussage bei der Staatsanwaltschaft Bochum eingeräumt, gegen den Erlass früherer Wettschulden eine Manipulationsabsprache getroffen zu haben. Jedoch sei es letztlich nicht zu einer Manipulation gekommen. Gegenstand der Ermittlungen sind weiterhin zwei Spiele des niedersächsischen Zweitliga-Absteigers. Angeblich wurden die Auswärtsspiele beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai manipuliert.

Im Rückblick auf die zum Ende der vergangenen Saison angeblich vom Manipulationsskandal betroffenen Spiele sieht Wollitz sogar Anhaltspunkte dafür, dass Schuon in die Fänge der Wettmafia geraten war. «Wahnsinn, jetzt habe ich diese Spiele alle noch mal vor Augen. Ich glaube, dass Schuon in Augsburg sogar ein Mal auf das eigene Tor schoss. Der hatte den Kopf nicht frei - in einem so wichtigen Spiel. Allein das ist doch schon ausreichend. Es gibt nichts Schlimmeres», sagte Wollitz.