Deutschland darf dem Vertrag von Lissabon vorerst nicht zustimmen. Das Bundesverfassungsgericht will die Rechte von Bundestag und Bundesrat stärken.

Karlsruhe. Deutschland darf den EU-Reformvertrag von Lissabon vorerst nicht ratifizieren. Zwar ist das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Vertragswerk mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht. Bevor Bundespräsident Horst Köhler seine Unterschrift unter den Vertrag setzt, müssen aber zunächst die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden, heißt es in dem Urteil.

Nach den Worten des Gerichts weist das deutsche Begleitgesetz, das die parlamentarische Beteiligung am Erlass europäischer Vorschriften regelt, Defizite auf und muss nachgebessert werden. Erst dann dürfe die Ratifikationsurkunde zum Vertrag hinterlegt werden. „Das Grundgesetz sagt Ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung“, sagte Vizepräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Damit hat der Zweite Senat mehreren Verfassungsbeschwerden teilweise stattgegeben.

Durch das Urteil gerät vor allem der Bundestag jetzt unter Zeitdruck. Der Vertrag von Lissabon soll spätestens Anfang 2010 in Kraft treten. Die Ratifizierung ist europaweit beinahe abgeschlossen. Allerdings haben Polen, Irland und Tschechien den Vertrag ebenfalls noch nicht bestätigt. „Der Senat ist zuversichtlich, dass die letzte Hürde vor Hinterlegung der Ratifikationsurkunde schnell genommen wird“, sagte Verfassungsrichter Andreas Voßkuhle. Die europäische Integration sei ein komplexer Prozess ohne historisches Vorbild, räumte der Verfassungsrichter ein. Die verfassungsrechtliche Beurteilung des Lissabon-Vertrages falle daher nicht leicht. Die Entscheidung des Senats falle aber eindeutig aus und sei einstimmig gefallen. Bundespräsident Horst Köhler hatte seine Unterschrift unter den Vertrag mit Rücksicht auf die Karlsruher Entscheidung zurückgestellt.