Ein Urteil wird frühestens im Sommer erwartet. Doch die Skepsis an der Gültigkeit der EU-Reform wächst ausgerechnet im Jahr der Europawahl. Bundespräsident Horst Köhler hatte seine Unterschrift vorerst zurückgestellt. Neben Deutschland haben auch Polen, Tschechien und Irland den Vertrag noch nicht ratifiziert.

Hamburg/Karlsruhe. Verstößt der EU-Reformvertrag von Lissabon gegen das Grundgesetz oder nicht - mit dieser Frage beschäftigt sich heute noch einmal das Bundesverfassungsgericht in einer Anhörung in Karlsruhe. Gegen den Vertrag vor Gericht gezogen sind eine Gruppe um den Ex-Europaparlamentarier Franz Ludwig Graf von Stauffenberg (CSU), der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler, die Linksfraktion sowie Klaus Buchner, Vorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei. Die Kläger warnen vor einer grundlegenden Neuordnung der EU, die mit einem wachsenden Demokratiedefizit und einer Aushöhlung staatlicher Souveränität einhergehe.

Aus Sicht der Bundesregierung ist das Vertragswerk lediglich eine logische Weiterentwicklung der Europäischen Union (EU). Sie führe nicht zu weniger, sondern zu mehr Demokratie in Europa. Diese Meinung vertritt auch der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering. "Ich habe kein Verständnis in der Sache für die Beschwerdeführer", sagte er gestern im Deutschlandfunk. Die EU-Reform werde die Demokratie nicht schwächen, sondern stärken. Pöttering: "Es ist Zuwachs an Demokratie auf allen politischen Ebenen."

Der EU-Reformvertrag war im Juni 2007 bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs unter Leitung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer dramatischen Nachtsitzung in Brüssel ausgehandelt und im Dezember 2007 in der portugiesischen Hauptstadt unterzeichnet worden. Zuvor hatte es den Entwurf einer EU-Verfassung gegeben. Diese war aber im Mai/Juni 2005 bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden gescheitert.

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird frühestens im Sommer erwartet. Bundespräsident Horst Köhler hatte seine Unterschrift unter den Vertrag mit Rücksicht auf Karlsruhe vorerst zurückgestellt. Neben Deutschland haben auch Polen, Tschechien und Irland den Vertrag noch nicht ratifiziert. Er kann nur mit Zustimmung aller 27 EU-Mitgliedstaaten in Kraft treten.