Kanzlerin Angela Merkel setzt beim EU-Gipfel Finanzhilfen als letztes Mittel durch. Die Europäische Zentralbank verdoppelt Grundkapital.

Brüssel. Sie wussten, es geht um alles. Als die 27 EU-Regierungschefs gestern zum letzten Gipfeltreffen in diesem Jahr im Justus-Lipsius-Gebäude eintrafen, standen sie wie selten zuvor unter Druck: Die gemeinsame Währung in Europa muss gerettet werden. Allen EU-Matadoren war klar: Wenn dieser Gipfel keine klare Botschaft sendet und die Spekulanten an den Finanzmärkten vertreibt, dürfte der Euro in schweres Fahrwasser geraten.

Portugal und Spanien müssen seit Wochen immer höhere Risikoaufschläge zahlen, um frisches Geld an den Kapitalmärkten aufzunehmen. Beide Länder gelten als Wackelkandidaten und könnten schon bald - so die Sorge in Brüssel - auf Milliardenhilfen aus der EU angewiesen sein.

Kanzlerin Angela Merkel war schon am Mittag in Brüssel eingetroffen. Sie eilte sofort auf die Mikrofone zu, sie hatte eine Botschaft: Es gehe darum, "nach außen deutlich zu machen, dass wir uns alle dem gleichen Ziel verschrieben haben". Aber wie lautet dieses Ziel? "Eine stabile Währung und ein stabiles Europa sicherzustellen." Das sehen auch Merkels Kollegen so. Nur über den richtigen Weg gibt es unterschiedliche Ansichten. Muss der aktuelle, 750 Milliarden Euro schwere Rettungsfonds für Pleiteländer aufgestockt werden? Sollen die Euro-Länder gemeinsame Anleihen auflegen? Wie lässt sich die wachsende Spaltung zwischen den 27 EU-Staaten und den 16 Euro-Ländern überwinden?

Fragen über Fragen - aber keine davon steht beim Gipfel auf der Tagesordnung. Ruhe, Besonnenheit und "Solidarität" - das sind die Signale, die von dem Treffen ausgehen sollen. Die Krisen-Instrumente reichen aus, um den Herausforderungen gerecht zu werden, lautet das Credo. "Die Chefs müssen begreifen, dass es hier nicht um ein harmonisches Weihnachtsessen für die Belegschaft, sondern um das Überleben des Euro geht", ätzte dagegen ein Diplomat.

Die Chefs hatten begriffen und beschlossen noch am Abend einen dauerhaften Rettungsschirm für Euro-Krisenländer und einigten sich auf eine entsprechende Änderung des EU-Vertrags von Lissabon. Der Rettungsschirm soll ab 2013 den bisherigen Milliardenfonds ablösen.

Merkel setzte eine Verschärfung des vorbereiteten Beschlusses durch. Nach dem Text soll der Krisenmechanismus nur eingesetzt werden, "wenn dies unerlässlich ist, um die Stabilität der Euro als Ganzes zu gewährleisten". Damit kam der Gipfel weitgehend der Forderung der Kanzlerin nach, Hilfen nur als "letztes Mittel" zu gewähren. Die Hilfen sollen zudem "strikten Bedingungen" unterliegen. Damit sind wie im Falle Griechenlands und Irlands harte Sparpläne gemeint.

Der Umfang der künftigen Rettungshilfen ist noch offen. Nach Informationen der "Welt" wird der neue Rettungstopf anders als der bisherige 750-Milliarden-Fonds in der Höhe unbegrenzt sein. "Wenn man einen permanenten Mechanismus hat, kann er nicht limitiert sein. Ein ständiger Krisenmechanismus muss in der Höhe unbegrenzt sein", hieß es in EU-Kreisen.

Um den ständigen Krisenmechanismus umzusetzen, soll Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU geändert werden. Dafür reicht eine begrenzte Vertragsänderung aus, die ohne Referenden in Mitgliedstaaten wie Irland oder Großbritannien erfolgen soll. Der Bundestag und die Parlamente der anderen 26 Mitgliedstaaten sollen die Änderung bis Ende 2012 ratifizieren.

Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker kündigte zudem an, er wolle in Brüssel auch über seine Idee der Euro-Anleihen beraten. Paris und Berlin sind strikt dagegen. Merkel versuchte, den Streit gestern herunterzuspielen. "Jean-Claude Juncker und ich haben ausführlich telefoniert und die Sache längst ausgeräumt", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Und während alle Gipfelteilnehmer betonten, es handele sich nicht um ein Krisentreffen, kam ein lauter Warnschuss aus Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) kündigte eine Verdoppelung ihres Grundkapitals auf 10,8 Milliarden Euro an. Der Grund: Das Risiko der Notenbank, dass die aufgekauften Staatsanleihen klammer Euro-Länder ausfallen, sei stark gestiegen.