Die EU soll bei künftigen Finanzkrisen auch private Gläubiger zur Kasse bitten. Opposition kritisiert die Absage an Euro-Anleihen.

Berlin. Unmittelbar vor dem heute und morgen stattfindenden EU-Gipfel zur Zukunft des Euros hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für einen ständigen Rettungsschirm für die Länder der Euro-Zone geworben. Euro-Anleihen, auch Euro-Bonds genannt, erteilte Merkel aber erneut eine Absage. Nothilfen für angeschlagene Euro-Länder dürften auch künftig nur ein "letztes Mittel" sein, forderte sie in einer Regierungserklärung im Bundestag. SPD und Grüne warfen der Kanzlerin vor, die Krise nicht ernst genug zu nehmen.

"Der Euro ist unser gemeinsames Schicksal, und Europa ist unsere gemeinsame Zukunft", betonte Merkel in ihrer Rede. Sie erwarte vom Brüsseler Gipfel einen "präzisen und eng gefassten" Beschluss zum neuen Krisenmechanismus. Das Treffen der 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union soll eine Einigung auf langfristige Konsequenzen aus der Finanzkrise bringen. Deutschland und andere EU-Länder streben dafür eine begrenzte Änderung des EU-Reformvertrags von Lissabon an. Kern soll ein permanenter Krisenmechanismus für die Euro-Zone sein, der den im Jahr 2013 auslaufenden Euro-Rettungsschirm ablösen und bei Überschuldung von Euro-Staaten greifen soll.

Merkel nannte neun Kriterien, die für einen solchen Mechanismus "unverzichtbar" seien. Unter anderem dürften keine Hoheitsrechte nach Brüssel verlagert werden, Hilfen müssten einstimmig beschlossen werden und eine drohende Zahlungsunfähigkeit müsse von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank festgestellt werden. Private Gläubiger würden "von Fall zu Fall" in die Krisenbewältigung eingebunden. "Droht die Zahlungsunfähigkeit eines Landes, müssen private Gläubiger einen Beitrag leisten", sagte die Kanzlerin.

Der Forderung der Opposition nach Einführung gemeinsamer Euro-Bonds wies sie zurück: "Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung des Risikos als Lösung erscheinen zu lassen." Die Lösung liege vielmehr in mehr Harmonie und Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten.

Der Idee nach könnten Euro-Bonds nationale Staatsanleihen teilweise oder ganz ablösen, sodass Spekulanten nicht mehr mit den Schulden einzelner Staaten handeln und dadurch Zinssätze hochtreiben könnten. Da Deutschland aber wegen seiner vergleichsweise soliden Haushaltslage derzeit Schulden zu günstigeren Zinsen aufnehmen kann als die meisten EU-Staaten, würde es bei den gemeinsamen Anleihen höhere Zinsen und damit Kosten in Milliardenhöhe in Kauf nehmen müssen.

Die Opposition ging nach der Rede mit Merkel scharf ins Gericht: "Ich habe selten in einem so wichtigen Moment eine so lasche und blutarme Rede erlebt", sagte Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, dem Hamburger Abendblatt. "Die Kanzlerin hat keinerlei Willen erkennen lassen, für den Zusammenhalt Europas zu kämpfen, der gerade auf dem Spiel steht." Die Ablehnung der Euro-Bonds sei "völlig unverständlich". Diese Anleihen könnten sinnvoll ausgestaltet werden und bedeuteten keinesfalls, dass alle Schulden automatisch vergemeinschaftet werden.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der schwarz-gelben Bundesregierung einen Zickzackkurs vor. Die geplanten Euro-Rettungsmaßnahmen würden viel zu kurz greifen. Er erwarte, dass eine Erweiterung des europäischen Rettungsschirms nötig werde. Letzten Endes helfe nur der Ausbau der EU zu einer politischen Union. Merkel setze aber nun auf eine "kleine Vertragsänderung, die niemandem so richtig wehtut" in der Hoffnung, die Euro-Krise möge vergehen. "Das ist keine Verantwortung in der tiefsten Krise Europas, die ich je erlebt habe", sagte der frühere Außenminister. Auch er forderte die Einführung von Euro-Anleihen.

Nach Ansicht von Daniela Schwarzer, Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, könnten die Anleihen neben einem EU-Stabilisierungsfonds die Gemeinschaftswährung sicherer machen, sofern sie sich auf einen Sockelbetrag beschränken. "Wenn die Mitgliedstaaten für einen Teil der Staatsverschuldung von maximal 40 bis 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gemeinsam garantieren, können einzelne Mitgliedstaaten weniger leicht zum Spielball der Finanzmärkte werden", sagte Schwarzer dem Abendblatt. Gleichzeitig bleibe so die Schuldendisziplin gewahrt. "Staatsanleihen, die über den Sockel hinausgehen, müsste jeder Staat selbst herausgeben - und würde die entsprechenden Risikoaufschläge dafür zahlen, wenn die Märkte wenig Vertrauen in das Land haben."