Es sollte eigentlich nur um kleine Vertragsänderungen gehen. Doch die Europäische Zentralbank hat die Idylle empfindlich gestört.

Die Währungshüter stellen den Regierungen die Gretchenfrage: Wie weiter Schulden-Europa? Brüssel/Frankfurt/Main (dpa) – Paukenschlag unmittelbar vor dem Euro-Krisengipfel: Wegen unabsehbarer Risiken aus der gewaltigen Staatsverschuldung in der Eurozone muss die Europäische Zentralbank (EZB) – Hüterin der gemeinsamen Währung – das Kapital fast verdoppeln. Die EZB wappnet sich für einen möglichen Totalausfall von Staatsanleihen beispielsweise aus Griechenland. Nach dieser Ankündigung standen die EU-Staats- und Regierungschefs mächtig unter Druck, bis Freitag eine überzeugende Strategie zur dauerhaften Absicherung des Euro zu präsentieren. Auch EZB-Chef Jean-Claude Trichet kam am Donnerstag zu dem Treffen in Brüssel, um einen Lagebericht zu geben. Bisher ist es vor allem die von den Regierungen unabhängige Zentralbank, die zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung beiträgt. Denn jede Woche kauft die EZB im Stillen Staatsanleihen von Schuldenstaaten in Milliardenhöhe auf. Jetzt muss die Notenbank ihre Eigenkapitalbasis stärken, um ihr Ankaufprogramm besser mit Kapital zu unterlegen. Bei einigen Papieren drohen massive Wertverluste. Die Lage ist mehr als ernst: Nachdem Irland als erstes Land unter den Rettungsschirm geschlüpft ist, könnte auch das hochverschuldete Portugal im neuen Jahr dazu gezwungen sein, berichteten Diplomaten in Brüssel.

Seit Wochen steht die Gemeinschaftswährung wegen der gefährlich hohen Staatsschulden in Griechenland und Irland unter Druck. Der Euro verlor am Donnerstag an Wert und konnte sich gegenüber dem US-Dollar nur noch knapp über 1,32 Euro halten. Der EU-Gipfel sah sich mit einer völlig neuen Situation konfrontiert – auch wenn aus der deutschen Delegation verlautete, die Kapitalaufstockung sei „ein ganz normaler Vorgang“. Eigentlich wollten die 27 EU-Staatschefs bei den zweitägigen Beratungen die Weichen für einen dauerhaften Auffangschirm für klamme Eurostaaten stellen.

Der sogenannte Krisenmechanismus soll von 2013 an greifen. Dafür soll der EU-Vertrag um zwei Sätze ergänzt werden, wonach die Euro-Staaten einen Stabilitätsmechanismus einführen können und die Bewilligung der Hilfe an strikte Bedingungen geknüpft wird. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Debatte um eine Vertragsänderung angestoßen. Die deutsche Regierung fürchtet, ohne diese Klarstellung könne das Bundesverfassungsgericht im Fall einer Klage deutsche Hilfszahlungen für illegal erklären. Es wurden in Brüssel harte Debatten erwartet, ob der derzeitige, mit 750 Milliarden Euro ausgestattete Rettungsschirm aufgestockt werden muss. Deutschland ist dagegen. Die Eurozone will sich für den Fall eines drohenden Staatsbankrotts rüsten. Private Geldgeber sollen bei Rettungsaktionen für Staaten nur fallweise einbezogen werden. Das neue ständige Rettungssystem für wackelnde Euro-Staaten ab 2013 soll nach einem Medienbericht über finanzielle Mittel in unbegrenzter Höhe verfügen. Dies werde der EU-Gipfel beschließen, berichtete die Zeitung „Die Welt“ (Freitagausgabe) unter Berufung auf EU-Kreise. Großbritannien machte klar, dass es keinen finanziellen Beitrag leisten werde. „Wir müssen sicherstellen, dass Großbritannien nicht verpflichtet ist, in diesem Mechanismus irgendein Geld auszugeben“, sagte Premierminister David Cameron. Vor dem Gipfel bemühten sich die Staats- und Regierungschefs, die jüngsten Streitigkeiten auszuräumen. Unterschiedliche Auffassungen waren in öffentlichem Streit geendet. Dabei ging es vor allem um Euro-Anleihen, die von Deutschland und Frankreich strikt abgelehnt werden.

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker macht sich aber weiter für Euro-Bonds stark. Auf dem Gipfelprogramm stehen sie offiziell nicht. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann meinte: „Wir sollten jetzt einmal das verankern, damit der Krisenmechanismus auch über 2013 hinaus festgeschrieben ist.“ Davon erwarte er sich eine gewisse Beruhigung der Märkte. Vor allem Merkel sah sich Angriffen ausgesetzt, „uneuropäisch zu handeln“. Mehrere Regierungschefs sprangen der Kanzlerin zur Seite. So sagte Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt: „Ich denke, es ist absolut normal, dass Deutschland ein sehr wichtiger Staat ist, der in der EU und im Euro-Raum dominiert.“ Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite ergänzte:„Niemand zwingt irgendjemandem etwas auf.“ Die Bundeskanzlerin bekannte sich in Brüssel klar zum Euro. Nach Angaben von Teilnehmern des Parteientreffens der konservativen EVP-Fraktion sagte die Kanzlerin: „Solidarität und Substanz gehören zusammen.“ Es gehe darum, „mit einer stabilen Währung auch ein stabiles Europa herzustellen“. Die EZB will nach eigenen Angaben zum 29. Dezember ihr Grundkapital auf 10,8 Milliarden Euro nahezu verdoppeln. Aufgebracht wird das Geld von den einzelnen nationalen Notenbanken, auf die Deutsche Bundesbank entfallen rund eine Milliarde Euro.