Jeder Widerstand sei eine „Verschwörung“ gegen den Iran. Die Regierung will europäische Diplomaten ausweisen. Berlin „bittet“ den iranischen Botschafter zum Gespräch.

Teheran/Hamburg. Die Revolutionsgarden im Iran, die mächtigsten Streitkräfte des Landes, haben mit der Zerschlagung möglicher weiterer Proteste gedroht. Die Demonstranten sollten sich auf eine Konfrontation mit den Sicherheitskräften einstellen, falls sie erneut auf die Straße gingen, erklärte die Elitetruppe auf ihrer Webseite. Die Opposition solle „die Sabotage und die aufrührerischen Aktivitäten“ einstellen. Der Widerstand sei eine „Verschwörung“ gegen den Iran.

Derweil prüft der Iran, die ausländischen Diplomaten ausweisen. Nach der heftigen Kritik aus dem Westen an der Brutalität gegenüber den Demonstranten erwägen Irans weltliche und geistliche Führer, zumindest europäische Gesandte wegzuschicken. Außenamtssprecher Hassan Ghaschghawi sagte, über diese drastische Maßnahme werde derzeit beraten. Außenminister Munacher Mottaki werde deswegen im Laufe des Tages mit dem zuständigen Parlamentsausschuss sprechen. Am Sonntag gab es unbestätigte Berichte über verletzte Demonstranten, die Zuflucht in ausländischen Vertretungen suchen.

Die iranische Regierung bezeichnet die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad als innere Angelegenheit und hat sich jeglichen Kommentar des Westens verbeten. Parlamentspräsident Ali Laridschani hatte eine Überprüfung der Beziehungen vor allem zu Großbritannien, Deutschland und Frankreich gefordert, den drei Staaten, die im Streit um das iranische Atomprogramm die Verhandlungen für die EU führen. Die drei europäischen Regierung haben sich hinter die iranische Opposition gestellt, die eine Wiederholung der Präsidentenwahl verlangt, und Demonstrationsfreiheit gefordert. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eine Neuauszählung der Wahlzettel verlangt.

Die Bundesregierung hat den iranischen Botschafter in Berlin zur „Erläuterung“ der Aussagen über die künftigen Beziehungen in das Auswärtige Amt „eingeladen“. Das sagte ein Ministeriumssprecher. Der Botschafter wurde allerdings nicht einbestellt. Der Sprecher sagte, auch die Regierungen in Paris und London würden von den jeweiligen Botschaftern „Erläuterungen“ fordern.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Demonstranten im Iran Anerkennung gezollt. „Was wir im Iran sehen, ist ein mächtiges Verlangen nach Freiheit in einem Teil des iranischen Volkes“, sagte Netanjahu der „Bild“-Zeitung. Mit der Entwicklung dort sei den Machthabern „die Maske vom Gesicht gerissen worden“. Bei einem Machtwechsel in Teheran könnten die friedlichen Beziehungen beider Länder wiederhergestellt werden: „Es gibt keinen Konflikt zwischen dem iranischen und dem israelischen Volk“, sagte der Regierungschef. Das aktuelle Regime aber sei nicht nur eine große Bedrohung für Israel, sondern auch für die Sicherheit Europas und für den Frieden in der Welt.

In einem geschickten Schachzug hat der iranische Wächterrat „Unregelmäßigkeiten“ bei der Präsidentenwahl eingeräumt. In 50 Wahlbezirken seien mehr Stimmen abgegeben worden als es Wahlberechtigte gegeben habe, sagte Ratssprecher Abbas Ali laut einer Meldung auf der Webseite des staatlichen Fernsehens. Dies ändere jedoch nichts am Wahlsieg von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad.

Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi und der frühere Präsident Mohammed Chatami stellten sich erneut hinter die Demonstranten, die gegen das offizielle Wahlergebnis protestieren. Sie sprechen von Wahlbetrug. Mussawi schrieb auf seiner Webseite: „Das Land gehört euch ... gegen Lügen und Betrug zu protestieren ist euer Recht.“ Der Reformpolitiker und frühere Präsident Chatami erklärte: „Protest in einer zivilisierten und Störungen vermeidenden Art ist das entschiedene Recht des Volkes, und alle müssen das respektieren.“

Die iranischen Behörden ließen fünf Angehörige des ehemaligen Präsidenten Haschemi Rafsandschani frei, die am Rande der Protestaktionen gegen die Regierung festgenommen wurden. Die Verhaftung gilt als Warnung der Hardliner an die Adresse Rafsandschanis, der mit Mussawi in Verbindung gebracht wird. Der einflussreiche Geistliche und Vorsitzende des Expertenrats hat sich aber noch nicht öffentlich zu der Wahl geäußert. Ihre offene Unterstützung für den Oppositionsführer hat Rafsandschanis Tochter Faeseh (46) erklärt, die ebenfalls zeitweise festgenommen wurde. Dies sei zu ihrem eigenen Schutz erfolgt, erklärten die staatlichen Medien.

Mussawi rief seine Anhänger auf, am späten Nachmittag als Zeichen des Protests die Scheinwerfer ihrer Autos einzuschalten. Das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstrationen hat bisher mindestens 17 Menschen das Leben gekostet. Am Sonntagabend blieben die Straßen in der Hauptstadt Teheran erstmals seit der Wahl weitgehend still, allein unterbrochen von den Rufen „Allah ist groß“ – diese Rufe von den Hausdächern sind zu einer versteckten Form des Protests geworden.