Mit massiven Bombenangriffen und frühzeitigem Einsatz von Bodentruppen wollen die USA Saddam Hussein schnell in die Knie zwingen.

Washington. Mit einer Taktik des "shock and awe" (Schock und Einschüchterung) wollen die US-Militärs die irakische Führung bereits nach wenigen Kriegstagen zur Kapitulation zwingen. 3000 präzisionsgesteuerte Bomben und Marschflugkörper werden allein in den ersten 48 Stunden abgefeuert. Das wäre das Zehnfache dessen, was die US-Streitkräfte in den beiden ersten Tagen des Golfkrieges 1991 verschossen. Die ersten Ziele des von den US-Militärs als "Blitzkrieg" bezeichneten Vorgehens sind Luftabwehrstellungen, politische und militärische Hauptquartiere, Kommunikationseinrichtungen sowie Anlagen, in denen die USA Massenvernichtungswaffen vermuten. Der Einsatz des Hightech-Arsenals gepaart mit einer neuen riesigen Sprengkraft soll den Kampfeswillen des Gegners brechen. Die große Hoffnung der USA ist, dass der Großteil der regulären irakischen Truppen frühzeitig aufgibt oder so passiv bleibt, dass die Invasoren bei ihrem Vorstoß auf Bagdad praktisch an ihnen vorbeimarschieren können. Im krassen Gegensatz zu damals gehört es diesmal zu den Hauptsäulen der Kriegsstrategie, frühzeitig Bodentruppen einzusetzen. Die Hauptoffensive wird dabei vom Süden erwartet - von Kuwait aus, wo allein 150 000 Soldaten für den Krieg stationiert wurden. Das erste Ziel: die südliche Hafenstadt Basra, dann weiter der Marsch auf Bagdad. Eine zeitgleiche Invasion vom Norden her soll irakische Truppen "binden" und damit den Weg in Richtung Bagdad vom Süden aus leichter machen. Zwar können die USA wegen der türkischen Verweigerung das NATO-Land im Norden zumindest in der Anfangsphase nicht als Aufmarschgebiet nutzen. Aber man geht davon aus, genügend Truppen einfliegen zu können. Lässt in dieser Phase des Zangenangriffs aus Süden und Norden eine Gesamtkapitulation noch auf sich warten, beginnt der schwierigste Teil. Denn trotz all ihrer technischen Überlegenheit könnte der Irak-Krieg für die US-Armee dennoch in einem Fiasko enden: Sollten Amerikas Soldaten und ihre Verbündeten in einen Straßenkampf in Bagdad hineingezogen werden, helfen ihnen keine Präzisionswaffen mehr. Am Ende könnte der Irak den USA nicht nur militärisch, sondern auch politisch schwere Schäden zufügen. Denn die US-Soldaten würden nicht nur hohe Opferzahlen in den eigenen Reihen riskieren, sondern auch Zivilisten gefährden. Für US-Präsident George W. Bush und seine Unterstützer wäre es dann noch schwieriger, ihren ohne UNO-Mandat laufenden Militäreinsatz zu rechtfertigen. "Ihre Schwäche liegt im Straßenkampf", sagt ein irakischer Offizier einer Eliteeinheit über die US-Truppen. Wenn sich die verfeindeten Soldaten auf den Straßen der irakischen Hauptstadt gegenüberstehen, sind Präzisionsbomben nicht halb so brauchbar wie Ortskenntnisse und Erfahrungen im Nahkampf. "Im richtigen Kampf haben die Infanteristen das letzte Wort", sagt der Offizier. "Die Technologie zählt dann nicht. Unsere Strategie ist, die erste Schockwelle aufzufangen, um die Amerikaner dann in die Städte zu zwingen." Dabei ist es gar nicht so einfach, überhaupt bis Bagdad vorzudringen: Um die von mehreren Verteidigungsringen der regulären Truppen und der Republikanischen Garden geschützte Stadt wurden Gräben gezogen, die mit Öl gefüllt und angezündet werden können. Zahlreiche Luftabwehrsysteme wurden rund um Bagdad und die dicht bevölkerten Vororte aufgestellt, Elitetruppen des Machthabers Saddam Hussein stehen zur Verteidigung bereit. Spezialtruppen seines ältesten Sohnes Udai Hussein sind eigens dafür abgestellt, Aufstände innerhalb der irakischen Bevölkerung zu unterdrücken. Seit dem Zweiten Weltkrieg vermied es die US-Armee nach Möglichkeit, in Straßenkämpfe hineingezogen zu werden. Im Irak kann sie sich allerdings eine Kombination aus Bombenabwürfen, Hubschrauberangriffen und einem Vorstoß in die Stadt mit leichter Infanterie vorstellen. US-Generalleutnant a. D. William Odom, ein erfahrener Veteran, rät dagegen von einem Kampf in der Fünf-Millionen-Stadt ab und empfiehlt das Einkesseln Bagdads und das Abstellen von Strom und Wasser. Dann heiße es nur noch warten. Das mögliche Vorgehen der irakischen Armee - im Fachjargon "asymmetrische Strategie" genannt - könnte Terroranschläge, Angriffe mit chemischen und biologischen Waffen, Geiselnahmen und den Missbrauch von Menschen als Schutzschilde umfassen. Vor allem in einem Kampf um Bagdad, so befürchtet man, könnte ein in die Enge getriebener Saddam auch schließlich den Einsatz chemischer und biologischer Waffen befehlen. Dass er dies gleich am Anfang tut, wird aus Gründen der irakischen Propaganda für wenig wahrscheinlich gehalten. "Aber ganz klar gehört dies zu den Unwägbarkeiten dieses Krieges", sagt Ex-NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clarke. "Wir werden siegen, aber unter welchen Umständen, das ist die große Unbekannte."