Die Amerikaner bereiten sich auf Anschläge vor.

Washington. Dan Fetzer, seine Frau Theresa und ihr achtjähriger Sohn David hatten sich schon darauf gefreut, das obligatorische Touristenfoto von sich vor dem Weißen Haus machen zu lassen. Als die Urlauber aus Oak Ridge (Tennessee) sich gestern wie Millionen Amerikaner vor ihnen zum Präsidentenpalast in die Pennsylvania Avenue begeben wollten, kamen sie kaum in Sichtweite von George W. Bushs Domizil. Schwer bewaffnete Agenten des Secret Service stoppten sie. Seit der amerikanische Präsident am Montagabend dem irakischen Diktator Saddam Hussein ein 48-stündiges Ultimatum gestellt hat, befindet sich die US-Hauptstadt im Belagerungszustand. Aus Angst vor Terroranschlägen wurde das Weiße Haus weiträumig abgesperrt. Nur Bedienstete und Mitglieder des White House Press Corps dürfen nach intensiver Inspizierung die Kontrollpunkte passieren. "Es ist schon traurig, dass unser Land auf diese Weise reagieren muss", meint Dan Fetzer betrübt. Die meisten Bewohner Washingtons machen keinen Hehl daraus, dass sie sich seit den Ereignissen des 11. September 2001 nicht mehr so bedroht gefühlt haben. Heimwerkermärkte kommen kaum mehr nach mit der Beschaffung von Plastikplanen und Klebeband. Damit sollen die Bürger nach dem Rat der Regierung Häuser und Wohnungen gegen biologische und chemische Terrorattacken sichern. Wer dieser Tage in Armee-Läden nach Gasmasken sucht, steht meistens vor leeren Regalen. In Supermärkten sind Mineralwasser, Konserven, Milchpulver und Toilettenpapier so gefragt wie nie zuvor. Die Sorge der Hauptstadtbewohner wurde auch nicht gerade geringer, als die "Washington Post" am vergangenen Sonntag als Leserservice einen zehnseitigen Leitfaden für Terrorangriffe veröffentlichte. Dort bekommt man neben einer Einkaufsliste auch gleich Menüvorschläge für die ersten drei Tage nach einem Angriff geliefert. "Frühstück: Cornflakes, Milchpulver, Schokoladenriegel, Bananenchips. Mittagessen: Crackers, Erdnussbutter, getrocknete Früchte, Kekse. Abendessen: Fleisch aus der Dose, Mais aus der Dose, Apfelmus und Schokoladenpudding." Unter Überschriften wie "Denken Sie an den Kauf einer Gasmaske, dann achten Sie auf den richtigen Sitz" werden einem fünf Modelle zwischen einem und 900 Dollar angeboten. Obwohl ein genauer Evakuierungsplan beigelegt ist für den Fall eines massiven biologischen, chemischen oder radioaktiven Angriffs, wird einem zugleich gesagt, dass die Flucht in die nahen Berge oder ans Meer "sehr schwierig sein wird". Für die, die es nicht schaffen, gibt es eine Erklärung der Symptome und Behandlungsweisen bei solchen Angriffen. Olivia Spencer, die als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei in Downtown Washington arbeitet, hat beschlossen, die Stadt schon jetzt zu verlassen. "Ich habe meinen ganzen Jahresurlaub genommen und fahre mit meinen Kindern aufs Land zu Verwandten, sicher ist sicher", erklärt die junge blonde Frau. Am Ronald-Reagan-Flughafen, der nur rund zwei Kilometer Luftlinie vom Weißen Haus entfernt liegt, werden willkürlich Autos angehalten und durchsucht. Desgleichen in der Nähe des Kapitols oder von Denkmälern. Neben dem Washington Memorial, dem riesigen Marmor-Monolithen auf der Mall der US-Hauptstadt, wurden Flugabwehrgeschütze postiert. An den Eingängen von großen Hotels und von U-Bahnen stehen schwer bewaffnete Polizisten. Ab und zu verlangen sie, dass verdächtige Rucksäcke oder Koffer geöffnet werden. Die Zahl der Straßensperren aus Beton erhöht sich täglich. Normalerweise beginnt am kommenden Wochenende mit dem Kirschblütenfest offiziell die Touristensaison in Washington. In diesem Jahr wird der Besucherstrom erst später einsetzen.