Paris. Einen Tag vor dem Frühjahrsgipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs, die heute und morgen in Brüssel zusammentreffen, wurde der Fund illegal installierter Abhörgeräte im Tagungsgebäude bekannt. Die Wanzen im Justus- Lipsius-Gebäude zapften die Telefonleitungen der deutschen und der französischen Delegation an. Über die Auftraggeber gab es von offizieller Seite keine Angaben. Die französische Zeitung "Le Figaro" meldete indessen, die belgische Polizei habe die Täter identifiziert: Es handele sich um Amerikaner. "Das ist absolut schockierend", erregte sich die französische Europaministerin Noelle Lenoir. "So etwas gehört nicht zu den Traditionen dieses Hauses." Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sprach in Berlin von einem dringenden Interesse an der Aufklärung des Vorfalls. "Die Untersuchungen haben gerade erst begonnen", sagte Dominique-Georges Marro, Chefsprecher der EU-Ratsverwaltung. "Wir wissen noch nicht, wer von dem Verbrechen profitiert." Im Lipsius-Gebäude tritt der EU-Ministerrat zusammen. Marro zufolge ist das Abhörsystem bereits "in den letzten Tagen" durch hauseigene Sicherheitsleute im Rahmen regelmäßiger Kontrollen entdeckt worden. "Auf Spuren von Abhörversuchen sind wir schon früher gestoßen", sagte er, "doch es ist das erste Mal, dass wir tatsächlich Wanzen vor Ort finden." Die Untersuchungen müssten ergeben, wie lange die "sehr ausgefeilte" Abhöranlage installiert gewesen sei. Die Wanzen waren offenbar von der Telefonzentrale des Rates ausgehend installiert worden, um die Leitungen zu den Beratungszimmern zu überwachen, die jeder Delegation zur Verfügung stehen. Marro sagte, neben den Delegationen Deutschlands und Frankreichs sei auch "eine geringe Zahl anderer Nationen" anvisiert worden. Es handelt sich um Großbritannien, Spanien, Italien und Österreich. Im Verlauf der europäisch-amerikanischen Differenzen in der Frage eines Krieges gegen den Irak war in den letzten Wochen wiederholt von Befürchtungen europäischer UNO-Delegationen berichtet worden, am Sitz der Vereinten Nationen in New York von den US-Gastgebern abgehört zu werden. Sollte der Figaro mit seiner Schuldzuweisung Recht haben? "Wir haben keinerlei Beweis, dass es die Amerikaner waren", sagte Marro - "aber auch keinen dafür, dass sie es nicht waren."