„Und das läuft live über den Sender?“ Der anerkannte Schlichter Heiner Geißler verwirrt mit einem Nazi-Vergleich und Interview zu Stuttgart 21.

Köln/Hamburg. Er ist der prominenteste Streitschlichter Deutschlands. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, 81, will den Konflikt um das umstrittene und umkämpfte Milliardenprojekt Stuttgart 21 befrieden. Damit will der umtriebige und bisweilen knorrige Mann zu einer Lösung zwischen Deutscher Bahn und Umweltschützern sowie Bürgerrechtlern beitragen. Doch Geißler hat sich in den vergangenen Wochen vor allem rund um den Stresstest und die Veröffentlichung der Ergebnisse auch kauzig gezeigt . Jetzt allerdings sorgt Geißler mit einem Interview im Deutschlandfunk für Aufsehen und Verwirrung. Am Dienstagmorgen war der Schlichter live im Deutschlandfunk zugeschaltet. Das absolut ernsthaft intonierte Interview entwickelte sich wegen Geißlers Verhalten zu einem Lehrstück à la Radio Gaga.

Der geübte Deutschlandfunk-Moderator Tobias Armbrüster vernahm Geißler zu Stuttgart 21 – und musste am Ende über das Geschichtsverständnis Geißlers und seine Aussage zum „totalen Krieg“ kritisch hinterfragen. Armbrüster sagte: „Herr Geißler, seit Tagen wird auch über eine ganz andere Äußerung von Ihnen gesprochen, am Schluss der Gespräche am vergangenen Freitag haben Sie Joseph Goebbels zitiert und die Konfliktparteien gefragt: ,Wollt ihr den totalen Krieg?’ Was war da Ihre Absicht?“

Geißler antwortete, man könne „nicht dauernd in Entweder-Oder-Kategorien denken“. Armbrüster hakte nach und fragte, ob Geißler mit dem Spruch die Nazis verharmlose. Geißler gab sich unwirsch: „Ich kann Ihre Frage ja nicht verstehen, wenn Sie mir reinreden… Ach was, das ist keine Sprechweise der Nazis. Der totale Krieg, den gibt es auch anderswo, den haben wir zurzeit in Syrien.“

Lesen Sie hier den vollständigen Interview-Wortlaut

Daraufhin entwickelte sich ein beinahe absurder Dialog, der möglicherweise auch mit akustischen und anderen Verständigungsschwierigkeiten zu tun hatte. Geißler polterte dann: „Ja, ich glaube, Sie sind wohl auf dem Mond zu Hause, mir zu unterstellen, ich wollte hier die Nazis verharmlosen!“ Er habe das Zitat benutzt, „um die Situation klarzumachen“. Geißler fragte: „Waren Sie schon mal in Stuttgart und haben Sie es erlebt, was da los ist? Sie haben ja gerade Auszüge aus dieser Demonstration gebracht. Das ist ein verbaler Krieg, den wir dort haben.“

Dann uferte es aus. Geißler fragte: „Also, hören Sie mal, was ist das, machen Sie ein Interview mit mir oder was soll das?“ Tatsächlich führte Geißler ein Interview, schien das aber vergessen zu haben. Armbrüster sagte: „So war das verabredet, ja.“ Geißler hakte nach: „Und läuft das jetzt live über den Sender?“ Armbrüster: „Ja, natürlich!“

Im Abspann der Internet-Version des Interviews schreibt der Deutschlandfunk: „Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.“ Der öffentlich-rechtliche Sender hat offenbar sauber gearbeitet. Nur um Heiner Geißler muss man sich offenbar Sorgen machen. (abendblatt.de)