Eine fehlgeleitete SMS oder ein Eintrag bei Facebook kann arbeitsrechtlich relevant werden. Der Grünen-Politiker Wölfle kommt glimpflich davon.

Stuttgart. Für den Grünen-Politiker Werner Wölfle bleibt seine fehlgeleitete Mecker-SMS wohl ohne Folgen – doch normale Arbeitnehmer kommen längst nicht so glimpflich davon, wenn sie per E-Mail über den Chef oder die Firma lästern. „Wenn Sie die E-Mail aus Versehen an Ihren Chef schicken oder sie anderweitig bekannt wird, dann müssen Sie sich ernsthaft Sorgen um Ihren Arbeitsplatz machen“, sagte Arbeitsrechtlerin Christina Reifelsberger der Nachrichtenagentur dpa. Auch bei einem Mitarbeiter, der seinen Chef bei Facebook als „Sklaventreiber“ bezeichnete, hätten Arbeitsrichter keinerlei Mitleid gezeigt, sagte die Expertin.

Die an den falschen Adressaten geschickte SMS von Stuttgarts Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle (Grüne) wird keine Konsequenzen haben: Nachdem Wölfle selbst betont hatte, an seinem Amt festhalten zu wollen, stellten sich auch Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hinter ihn. Kretschmann versuchte den Vorfall als „Versehen“ – und kein Politikum – herunterzuspielen: „Wenn man verärgert ist, schwätzt man schon einiges raus, das muss man nicht auf die Goldwaage legen.“ Dennoch hätten die Äußerungen Wölfles ihn geärgert.

Wölfle hatte mit seinem neuen Handy unabsichtlich den „Stuttgarter Nachrichten“ die Kritik an der Besetzung eines Postens im von Kretschmann geführten Staatsministerium mit dem Grünen-Kreischef Philipp Franke zugeschickt: „Selbst dieser Franke wird im Stami untergebracht. Ist mir das peinlich.“ Es gebe keinen Unterschied zu den „Schwarzen“, damit ist die CDU gemeint. Wölfle entschuldigte sich am Dienstag bei Franke.

Kretschmann sagte, er könne die Kritik Wölfles nicht nachvollziehen. „Die Einstellungspraxis im Staatsministerium ist gut und korrekt.“ Sie richte sich nach den gesetzlichen Vorgaben. Franke sei Referent für Wirtschaftspolitik mit Schwerpunkt Energiepolitik. Es sei bekannt, dass er und Wölfle sich „nicht so gut verstanden haben“. Schuster betonte, die von Wölfle versandte private Nachricht habe nichts mit dessen Aufgabe als Verwaltungsbürgermeister zu tun. „Ich werde selbstverständlich weiterhin mit Werner Wölfle vertrauensvoll zusammenarbeiten“, sagte der Christdemokrat.

Die FDP sieht sich in ihrer Kritik an der „unverfrorenen grünen Günstlingswirtschaft“ voll bestätigt. „Die jetzt ans Tageslicht gekommene Beförderung eines offenbar nicht genügend qualifizierten grünen Parteigängers an eine Referentenstelle übertrifft die schlimmsten Befürchtungen“, meinte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch die Linke sprach von „Vetterleswirtschaft“: „Die groß angekündigte Änderung im Politikstil bleibt in Sachen Transparenz offensichtlich aus“, sagte Gregor Mohlberg vom Linken-Landesvorstand.

Der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling findet vor allem den Inhalt der SMS Wölfles wichtig: „Er spricht einen Einzelfall an und macht auf eine Gefahr aufmerksam. Neue Amtsträger müssen grundsätzlich davor gewarnt werden, wegen der Parteipolitik auf zu viel Sachverstand zu verzichten.“ Den bisherigen Personalwechsel der grün-roten Landesregierung halte er aber für „eher moderat“, sagte Wehling den „Stuttgarter Nachrichten“.

Wölfle will private Äußerungen von nun an nicht mehr schriftlich weitergeben: „Aus Schaden wird man klug.“ Auch Kretschmann zeigte sich beeindruckt: „Ich werde vorsichtiger sein. Man muss langsam sein, aufpassen.“ Der 58-jährige Sozialarbeiter Wölfle war Ende Juli zum Nachfolger von Klaus-Peter Murawski (Grüne) gewählt worden, der als Amtschef ins Staatsministerin gewechselt war. Bei der Landtagswahl im März hatte der Verkehrsexperte und leidenschaftliche Gegner des Milliardenprojekts Stuttgart 21 ein Direktmandat erhalten. (dpa/abendblatt.de)