Opposition und Senat diskutieren in der Bürgerschaft, ob denn nun gespart wird oder lediglich umverteilt. Eine Frage der Sichtweise.

Altstadt. Haushaltspolitik ist - neben all den Milliarden und Millionen - vor allem eine Sache der Sichtweise. "Die sparen ja gar nicht", rief der SPD-Haushaltsexperte Peter Tschentscher in der aktuellen Stunde der Bürgerschaft und zeigte vorwurfsvoll in Richtung schwarz-grüner Senatsbank.

Da hat die Koalition zwar ein Konsolidierungsprogramm in Höhe von 510 Millionen Euro aufgelegt, 406 Millionen Euro davon sollen im kommenden Haushaltsjahr 2011 bereits realisiert werden, aber das ist für Tschentscher nur Augenwischerei. "Wenn Kürzungen nicht zu einer Absenkung der Ausgaben führen, dann ist das keine Konsolidierung, sondern nur eine millionenschwere Umverteilung", kritisiert der SPD-Politiker.

Tatsächlich weist der Finanzplan des vergangenen Jahres für 2011 Ausgaben in Höhe von 10,9 Milliarden Euro aus. Und die vom Senat in der vergangenen Woche beschlossenen Gesamtausgaben für 2011 belaufen sich auf fast exakt denselben Betrag: 10,99 Milliarden Euro. Wo ist da der Spareffekt?

Das ist, wie gesagt, eine Frage der Sichtweise. "Die Anmeldungen der Behörden für den Haushalt 2011 sahen ursprünglich 556 Millionen Euro mehr an Ausgaben vor. Und genau diesen Betrag wollen wir jetzt einsparen", sagte Finanzsenator Carsten Frigge (CDU). Also: Der Senat gibt zwar nicht weniger Geld aus (auch nicht mehr), aber immerhin deutlich weniger, als er eigentlich wollte. "Der künftige Haushalt bewegt sich exakt im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung. Das war unser Ziel, und das haben wir erreicht", lobte Frigge die Anstrengungen des Senats.

Die SPD warf dem schwarz-grünen Bündnis vor, einen erheblichen Teil des Konsolidierungsprogramms noch nicht konkretisiert zu haben. "Die meisten Sparbeiträge der Senatoren sind nur grobe Daumenpeilungen, rechtlich fragwürdig oder von Entscheidungen Dritter abhängig", sagte Tschentscher. So sollen unter anderem Bundesratsinitiativen gestartet werden, deren Ausgang ungewiss ist. "Man kann nicht annehmen, dass die Summen auch wirklich zusammenkommen."

SPD-Fraktionschef Michael Neumann warf dem Senat gestern vor, die konkreten Sparbeschlüsse zu verschweigen. Bei bis zu 80 Millionen Euro sei noch nicht klar gesagt worden, wie genau gespart werden solle. Der Senat plane 300 einzelne Sparmaßnahmen, deren komplette Liste jedoch nicht veröffentlicht worden sei. "Es gibt diese Liste, aber es ist nicht geplant, sie zu veröffentlichen", sagte Senatssprecherin Kristin Breuer.

GAL-Fraktionschef Jens Kerstan rechnet damit, dass die Bürger Verständnis dafür haben, dass die Stadt ihre Leistungen einschränken muss. "Wir haben die Stadt in der Wirtschaftskrise mit Hilfe der Konjunkturprogramme vor Massenarbeitslosigkeit bewahrt, aber jetzt müssen wir mit öffentlichen Mitteln sparsamer umgehen", sagte der GAL-Haushaltsexperte. Der Senat spare vorrangig nicht in den Bereichen Soziales, Bildung, Wissenschaft und Kultur. Kerstan: "Das ist ein ausgewogenes Paket, das die Lasten gerecht verteilt."

Den Unmut der Opposition zog sich der GAL-Faktionschef zu, als er Einnahmesteigerungen beim Schauspielhaus für zumutbar hielt. "Teilweise sind viele Plätze schon bei Premieren unbesetzt", sagte Kerstan. "Da ist noch Luft nach oben für Einnahmeverbesserungen." Es gehe dem Senat, der die jährlichen Zuweisungen an das Haus um 1,22 Millionen Euro kürzen will, keinesfalls darum, das Theater "kaputtzusparen". Das zeige sich auch daran, dass die Koalition 16,5 Millionen Euro in die Erneuerung der Bühne investieren will. Und das Altonaer Museum, das der Senat schließen will, habe nun einmal "sehr wenig Besucher".

Der Linken-Kulturpolitiker Norbert Hackbusch nannte die geplanten Kürzungen bei Theatern und Museen ein "Desaster". Die Bühne des Schauspielhauses müsse schon deswegen erneuert werden, weil der TÜV den Spielbetrieb sonst sperre. "Es wird dazu kommen, dass die erfolgreiche Jugendarbeit des Hauses eingestellt wird, um die Sparauflagen zu erfüllen." Hackbuschs Fraktionskollege Joachim Bischoff attackierte die Schließung des Altonaer Museums. "Erst renovieren sie, dann machen sie die Bude zu - das versteht doch keiner."