Auf den Spielplätzen und in den Cafés ist die Wut der Eltern über die Erhöhung der Kita-Gebühren greifbar. Der Mittelstand politisiert sich.

Hamburg. Die Enttäuschung hier im "Café Max B." ist deutlich spürbar. Wütend sind sie, einige stehen regelrecht unter Schock. Während ihre Kinder nebenan zum Turnen gehen, sitzen sie bei Grünem Tee, Bionade oder Rhabarberschorle und diskutieren ziemlich erregt. Über die Kita-Gebühren, Familienpolitik, den Senat. Es ist eine Abrechnung. Früher saßen sie auch schon hier. Da haben sie geklönt. Über gute Kindersandalen, darüber, wie viele Freunde zum Kindergeburtstag kommen dürfen, über tolle Kinofilme. Auch mal über ihre Jobs.

Danach ist Hendrike Schmietendorf nicht mehr zumute. "Auf Bundesebene wurde das Elterngeld beschlossen, das war ein richtiger Ruck, ein Zeichen, dass Erziehung partnerschaftlich aufgeteilt wird. Was jetzt in Hamburg passiert, ist ein Schlag ins Gesicht von uns Frauen, ein wahnsinniger Rückschritt", sagt die Mutter von Lasse, 5, und Morten, anderthalb Jahre alt. Sie arbeitet 30 Stunden pro Woche im Marketing. Die Zeiten, in denen Politik ein Thema unter vielen war, sind für sie vorbei. Jetzt engagiert sie sich zum ersten Mal. Zusammen mit anderen Eltern organisiert die 39-Jährige den Protest gegen die Gebührenerhöhung.

Die meisten Eltern betreten Neuland. Frauen, die sich einigermaßen gleichberechtigt gefühlt haben, sehen sich herabgesetzt. Emanzipation ist plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr, sondern wieder ein Thema. "Wenn das dazu verdiente Geld von uns Frauen sowieso eins zu eins in die Kinderbetreuung fließt, fragt die Mutter oder Schwiegermutter schon: 'Kind, warum arbeitest du denn dann überhaupt?' Die Politik treibt uns Frauen zurück an den Herd", sagt Schmietendorf. Dabei hatte sie es gerade geschafft, nach dem zweiten Kind in den Job zurückzukehren.

Das steht Christina Hoberg, Mutter von Luise, zehn Monate, und Tim, 6, noch bevor. Sie weiß noch nicht, ob sie überhaupt wieder in der Unternehmenskommunikation ihres Arbeitgebers in Teilzeit arbeiten kann. Noch so ein Problem. "Dieses Signal der Politik ist eine Rolle rückwärts für uns Frauen", sagt sie. Und nicht nur das. Dass die Betreuung und Bildung in der Kita Geld koste, während die Schulbildung kostenlos sei, könne man ohnehin nicht einsehen, findet die 40-Jährige: "Die frühkindliche Bildung und Betreuung wird ad absurdum geführt." Es ist ihr anzumerken, wie sehr sie dieses Thema berührt, wie wütend und aufgebracht sie ist. Dann sagt sie noch: "Deutschland hinkt in der frühkindlichen Bildung ohnehin europaweit hinterher."

Wenn die Sprache auf Parteien kommt, dann sind die Eltern hier im Café ratlos. Wer vertritt ihre Interessen überhaupt? "Ich habe die GAL gewählt, aber gerade die haben bei diesem Thema ihren Mund nicht aufgekriegt", sagt Hendrike Schmietendorf. Vielleicht, sagt sie noch, ist es nun Zeit für eine neue Partei. Soraya Löding sitzt oben am Kopf des Tisches und nickt: "Es gibt keine Partei, die uns Familien glaubhaft vertritt. Die haben nur alle hohle Phrasen drauf." Die 45-Jährige ist Kunst- und Deutschlehrerin und hat zwei Kinder. Würde eine neue Partei gegründet werden - sie wären dabei.

Wohlhabend, besser verdienend, oder sogar reich - keine Attribute, die die Mütter und Väter hier am Tisch gelten lassen würden. Sie sind der typische Mittelstand: beide Partner berufstätig, die Frauen meist in Teilzeit. Ihnen geht es gut. Doch das Geld, das sie verdienen, ist verplant. 100 Euro und mehr an zusätzlichen Ausgaben reißen ein ordentliches Loch in die Haushaltskasse.

Die meisten wohnen in Altona oder Eimsbüttel zur Miete, einige haben Eigentum. Aber wie lange wollen Familien überhaupt in Hamburg wohnen bleiben? In einer Autostadt, wie Christina Hoberg sagt. In einer Stadt, in der die Mieten hoch seien, es Eltern mit Kinderwagen schwer haben, wenn viele U- und S-Bahnen noch nicht einmal einen Fahrstuhl oder eine Rolltreppe haben. "Es macht im Moment nicht viel Spaß, als Familie in dieser Stadt zu wohnen", sagt Hoberg.

Es sind ja nicht nur die Kita-Gebühren. "Wir Familien sind immer dran. Seien es steigende Energie- und Wasserpreise, die Mehrwertsteuer, die HVV-Preise. Bei jeder Kostenerhöhung sind wir dabei", sagt Soraya Löding.

Mittlerweile hat Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) angekündigt, dass für die Kita-Mitarbeiter in diesem Jahr 9,4 Millionen Euro extra bereitstehen. Das finden die Eltern natürlich gut, doch die Zweifel bleiben. Vertrauen in das, was Politiker sagen, hat hier niemand. Die Eltern haben einen anderen Verdacht: "Ich glaube, dass die 30 Kita-Millionen von uns Eltern in die Haushaltskonsolidierung gehen", sagt Frau Löding. Ginge es in die Verbesserung der Kitas, wäre das ein kleiner Trost.

Und dann ist da noch die Sache mit der Elbphilharmonie. "Natürlich werden die Gebühren erhöht, damit die das Prestigeobjekt bezahlen können", sagt Axel Fahrenhorst, Vater von Theo, 5. Ohne die Pleite der HSH Nordbank hätte der Senat auch anders entschieden. Da ist er sich sicher.

Es fällt noch das Stichwort "wachsende Stadt". "Die wachsende Stadt, das sind doch die Kinder!", ruft Christian Geißler, Vater von Sten, 4, und Jo, 3. Hendrike Schmietendorf wird jedenfalls nicht dafür sorgen, dass Hamburg bevölkerungsmäßig weiter wächst. "Ich bin mit meinen beiden Jungs am Limit."

Szenenwechsel. Der Spielplatz an der Kottwitzstraße in Hoheluft-West. Die zehnmonatige Emma krabbelt durch die Sandkiste und spielt mit einem Laubblatt. Ihre Mutter Jessica Calvin sitzt auf dem Rand der Sandkiste und ist "stinksauer". Auf den Senat: "Ich bin so enttäuscht, so unfassbar wütend, die Politik setzt ein falsches Zeichen." Klar, auch sie wird heute Nachmittag zur Demo in die Innenstadt gehen. Sie denkt auch darüber nach, Schwarz-Grün bei dem Volksentscheid zur Schulreform einen Denkzettel zu verpassen, "obwohl ich ja eigentlich für die Primarschule bin." Ein paar Schritte weiter steht Thomas Olliges neben der Schaukel.

Während seine Frau zu Hause für ihr Studium lernt, kümmert er sich um seine Töchter Anna (4) und Lea (2). Der Gymnasiallehrer redet sich in Rage: "Die Kinderbetreuung hat für den jetzigen Senat nicht die höchste Priorität, sonst hätte er die 30 Millionen, die er nun zusätzlich einnimmt, woanders herholen können." Es wird deutlich, dass sich Hamburg, die Stadt, in der sie eigentlich gerne leben, für viele Eltern als familienunfreundlich entpuppt. Das ist wie ein Schock. Und es ist frustrierend. "Während die CDU auf Bundesebene das Kindergeld zum Beispiel erhöht hat, geschieht in Hamburg genau das Gegenteil. Hier wird es uns wieder weggenommen." Dabei werde ständig über zu wenige Kinder gejammert, sagt der 40-Jährige. "Die Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und geht denjenigen ohne Kinder genauso an. Wenn die Erhöhung auf allen Schultern verteilt wäre, wäre sie auch moderater ausgefallen." Aber, sagt Thomas Olliges, das ist in dieser Stadt ja gar nicht politisch gewollt. Ob der Senat wirklich lernfähig ist und die Gebührenerhöhung zurückzieht? Das ist sehr unwahrscheinlich. Hendrike Schmietendorf und die anderen Eltern wollen mit ihrem Protest und der Volkspetition ein Zeichen setzen. Und auch wenn es nicht klappt, es war nicht umsonst: "Dann haben wir uns wenigstens gewehrt."