Wie auch immer das Bild vom Alleskönner-Chef - einem, der alles weiß und auch alles kann - in die Unternehmenswelt gekommen ist, es hält sich hartnäckig. Der oder die da oben haben ad hoc eine Lösung parat, sagen, wo es lang geht und die Gefolgsleute führen es aus.

Meine Erfahrung: Dieser irrigen und überholten Vorstellung wird noch viel zu oft nachgeeifert! Und zwar von beiden Seiten. In unserer komplexen und sich immer schneller wandelnden Welt erlebe ich viele Führungskräfte, die sich das Alleskönnertum auf die Fahnen geschrieben haben und damit kläglich scheitern.

Warum sie scheitern? Weil etwas fehlt! Und das ist die Bereitschaft, aus einer inneren Stärke heraus die eigenen Mitarbeiter und ihre Sichtweisen einzubeziehen und sie an der Lösung eines Problems zu beteiligen. Viele Führungskräfte haben nämlich Angst und zu wenig Vertrauen in die Kompetenz ihrer Mitarbeiter. Lieber leben sie mit halbgaren Lösungen. Sie verkaufen sie aber dennoch freudig ans Volk und sind enttäuscht, dass ihre Mannschaft von ihrer im stillen Kämmerlein ausgedachten Idee nicht begeistert ist. Das Ergebnis: Es herrscht Frustration auf beiden Seiten und ein nicht zu beziffernder betriebswirtschaftlicher Verlust.

Was Chefs anbieten sollten, sind nicht Wissen und Lösungen, sondern ein Mix aus Offenheit, Mut und Vertrauen - in sich und die eigenen Leute. Sie sollten Fragen stellen, um neue Ideen ringen, neue kreative Vorgehensweisen fordern. Das geschieht nicht über Nacht, auch diese Fähigkeit muss erarbeitet werden. Da nützt es nichts, die Menschen in der Krise einen Tag lang in einen Seminarraum zu sperren und auf tolle Antworten zu warten - auf die man selbst dann eben doch nicht gekommen ist.

Gefordert wird ein "Stimulator", der Menschen treibt, ihre Leidenschaft zu entfesseln und das Talent in anderen Menschen zu fördern. Die daraus entstehende Motivation ist dann nicht mehr zu halten. Wie Tom Peters schreibt: In diesen Dingen liegt die ultimative Härte von Führung! Ja, die weichen Faktoren der Führung sind die harten.

Claudia Leske (46), Inhaberin der Akademie für Führung im Wandel, führte bis 2007 sieben Jahre die Geschäfte des Alsterhauses.