Währungsfonds hält Reformbemühungen nicht für ausreichend und erwägt zusätzliche Hilfen für Euro-Länder. Schäuble warnt vor neuer Bankenkrise.

Hamburg. Die Finanz- und Wirtschaftslage in Griechenland ist offenbar schlechter als bislang schon befürchtet. Darauf lässt die Haltung des Internationalen Währungsfonds (IWF) schließen. Das im Juli vereinbarte zweite Hilfspaket für Griechenland müsse wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage und der nur langsam vorankommenden Reformen überarbeitet werden, sagte gestern der Chef des IWF-Europa-Programms, Antonio Borges.

Der Währungsfonds bildet gemeinsam mit der Euro-Gruppe und der Europäischen Zentralbank (EZB) die sogenannte Troika, die Griechenland im vergangenen Jahr als Erste mit Hilfszusagen von mehr als 100 Milliarden Euro beigesprungen war. Damals war deutlich geworden, dass das hoch verschuldete Land infolge der Weltfinanzmarktkrise und wirtschaftlicher Rezession zahlungsunfähig werden könnte. Griechenland wird auch vom Euro-Rettungsschirm EFSF finanziell unterstützt. Die nächste Tranche der Troika in Höhe von acht Milliarden Euro soll nach aktuellem Stand Mitte November an Athen freigegeben werden. Das aber hängt auch vom Fortschritt der Reformbemühungen in Griechenland ab.

Griechenlands internationale Geldgeber üben seit dem Aufbau der Hilfsmechanismen starken Druck auf die Regierung in Athen aus, das griechische Finanzsystem und die Wirtschaft zu sanieren. Die öffentlichen Ausgaben sollen gesenkt, die Steuereinnahmen durch effizientere Erhebungen deutlich gesteigert werden, lauten zwei der zentralen Forderungen.

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Damit jedoch steuert Griechenland zunächst immer tiefer in ein Dilemma hinein. Das Land braucht dringend Wirtschaftswachstum, um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Die Streichung von Stellen in Verwaltungen und öffentlichen Unternehmen, die Kürzungen staatlicher Ausgaben aber lassen die griechische Wirtschaft derzeit schrumpfen. "Wir erleben, wie die echte Wirtschaft langsam erdrückt wird", sagte Griechenlands Wirtschaftsminister Michalis Chrysochoidis der Wochenzeitung "Die Zeit". Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) reist heute mit einer Wirtschaftsdelegation nach Griechenland, um Möglichkeiten für Investitionen deutscher Unternehmen vor Ort auszuloten, unter anderem beim Aufbau einer solaren Stromerzeugung.

Der IWF wiederum stellte wirtschaftlich angeschlagenen Ländern wie Spanien oder Italien gestern zusätzliche Kredite in Aussicht. Die Bonitätsnoten lang laufender italienischer Staatsanleihen waren von der US-Rating-Agentur Moody's gleich um drei Stufen von Aa2 auf A2 gesenkt worden. "Wir verfügen über eine ganze Reihe von Optionen, die auf den Tisch geholt werden könnten, um das Vertrauen in diese Länder wiederherzustellen", sagte Europa-Direktor Borges in Brüssel. Ein Aufkauf von Staatsanleihen, den er zunächst ins Gespräch gebracht hatte, sei jedoch nicht möglich. In einem aktuellen Bericht fordert der IWF in Washington die Euro-Staaten zu mehr Geschlossenheit beim Kampf gegen die europäische Finanzmarktkrise auf. Das Krisenmanagement der Europäer müsse "über den jetzigen Ansatz hinausgehen, um Erfolg zu haben", heißt es dort.

Professor Michael Bräuninger, Chefökonom des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), begrüßt die Vorstöße des Währungsfonds. "Der IFW hat die größte Erfahrung bei Restrukturierungen an den Finanzmärkten", sagte er dem Abendblatt. "Er macht deutlich, dass Griechenland auf jeden Fall geholfen werden sollte. Das übrigens wird kein kurzfristiger Prozess sein. Es kann zehn Jahre lang dauern - auch mit Blick auf Privatisierungen und die Reform der Verwaltungen - bis Griechenland auf einem gesunden ökonomischen Fundament steht."

Aufkäufe von Staatsanleihen wie zuletzt durch die EZB oder künftig auch durch den europäischen Rettungsschirm EFSF würden vor allem europäische Banken entlasten, die teils Milliardensummen in Staatsanleihen hoch verschuldeter Krisenländer investiert haben. Zweifel an der Rückzahlungsfähigkeit der angeschlagenen südeuropäischen Staaten schmälerten den Wert der betroffenen Papiere zuletzt.

Die schwierige Lage bestimmter Euro-Mitgliedsstaaten hat in den vergangenen Wochen das Geschäftsklima am europäischen Bankensektor stark verschlechtert. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte gestern vor möglichen Folgen. Die große Sorge sei, dass die "beunruhigenden Entwicklungen an den Finanzmärkten in einer Bankenkrise eskalieren" würden, sagte er nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg.

Diese Entwicklung schürt eine neue Debatte um mögliche neue Staatshilfen für die Finanzinstitute. "Die Kapitalpositionen europäischer Banken müssen gestärkt werden, um zusätzliche Sicherheitsspielräume zu schaffen", sagte EU-Währungskommissar Oli Rehn der "Financial Times".