Ein Ausschuss soll prüfen, ob der Bundestagspäsident gegen Gesetze verstoßen hat. Wollten die Fraktionen die Abweichler mundtot machen?

Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat mit seinem Vorgehen bei der Euro-Debatte auch die eigenen Reihen nachhaltig verärgert. Lammerts Entscheidung, zwei Abweichler aus den Koalitionsfraktionen reden zu lassen, sei rechtlich sehr zweifelhaft, hieß es am Freitag in der Unions-Fraktion. Das Vorgehen sei mit dem Ältestenrat nicht abgestimmt gewesen. Der Geschäftsordnungsausschuss des Bundestages ist mit der Angelegenheit befasst, wie Lammerts Sprecher Guido Heinen bereits am Donnerstag kurz nach dem Vorfall erklärt hatte. Aus den Fraktionskreisen hieß es dazu, der Ausschuss prüfe die Rechtmäßigkeit von Lammerts Entscheidung. Bis dahin sei dessen Anordnung außer Kraft gesetzt.

Lammert hatte den Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) und Klaus-Peter Willsch (CDU), die beim Thema Euro-Rettungsschirm anderer Meinung sind als die Mehrheit ihrer Fraktionskollegen, am Donnerstag Redezeit im Plenum zur Verfügung gestellt. Sie waren von ihren Fraktionen nicht auf die Rednerlisten gesetzt worden. Lammert berief sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989, das sich allerdings auf einen fraktionslosen Abgeordneten bezogen hatte.

Aus der Unions-Fraktion wurde darauf verwiesen, dass es für die beiden Abgeordneten auch die Möglichkeit zu einer Kurzintervention oder einer persönlichen Erklärung gegeben hätte. Sprecher Heinen hatte sich am Donnerstag davon überzeugt gezeigt, dass Lammert eine klare Rechtsgrundlage für seine Entscheidung hatte. Er verwies auf den einschlägigen juristischen Kommentar zur Geschäftsordnung des Bundestags. Darin heiße es: „Da dem ,Abweichler’ aber in jedem Fall das Wort zu erteilen ist, bleibt nur die Möglichkeit, die Aussprache entsprechend zu verlängern. Der Präsident ist dazu ungeachtet eines zur Festlegung der Dauer der Aussprache gefassten Bundestagsbeschlusses berechtigt und verpflichtet.“

Grundsätzlich wird den Fraktionen ein Kontingent an Redezeit zugewiesen. Die Fraktionen wiederum vergeben diese Zeit an ihre Abgeordneten. (dapd)