Ein Gutachten soll jetzt den Beweis gegen Nadja Benaissa liefern. Der Popstar bleibt weiter in Untersuchungshaft. Bilder von den No Angels.

Darmstadt. No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa (26) bleibt in Untersuchungshaft. Der Staatsanwaltschaft liege weder eine Haftbeschwerde noch ein Haftprüfungsantrag vor, sagte Behördensprecher Ger Neuber gestern in Darmstadt. Die Sängerin soll einen Mann bei ungeschütztem Sex mit HIV angesteckt haben, obwohl sie von ihrer Infektion wusste. Man habe die beiden Haftgründe dringender Tatverdacht und Wiederholungsgefahr nicht ignorieren können, rechtfertigte die Staatsanwaltschaft ihr Vorgehen.

Unterdessen erwirkte der Anwalt von Benaissa, Christian Schertz, gestern beim Berliner Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen die Berichterstattung der "Bild"-Zeitung über das Ermittlungsverfahren gegen seine Mandantin. Die Sängerin war Ostern kurz vor einem Solo-Auftritt im Frankfurter Club "Nachtleben" festgenommen worden. Sie soll in den Jahren 2004 und 2006 mit drei Männern ohne Schutz geschlafen haben. Einer der Männer sei HIV-positiv, vermutlich durch den Kontakt zu Benaissa. Eine HIV-Infektion kann zur Immunschwächekrankheit Aids führen.

Der infizierte Mann habe Anzeige erstattet und von sich aus mehrfach erfolglos versucht, auf Benaissa zuzugehen. Die Staatsanwaltschaft habe auch "versucht, ihr rechtliches Gehör zu geben". Die 26-Jährige habe darauf aber nicht reagiert, hieß es von der Anklagebehörde. Um festzustellen, ob Benaissa den Mann angesteckt hat, soll bei einem Immunologen ein Gutachten in Auftrag gegeben werden.

Zur einstweiligen Verfügung sagte eine Sprecherin des Berliner Landgerichts, der Verlag Axel Springer dürfe auch nicht über den "Gegenstand der Untersuchungshaft" der Sängerin berichten. Gegen die Verfügung des Gerichts hat die "Bild"-Zeitung nach eigenen Angaben Widerspruch eingelegt. Die Zeitung hatte am Dienstag als Erste darüber berichtet, dass die No-Angels-Sängerin unter dem Vorwurf der schweren Körperverletzung verhaftet wurde. Zu der einstweiligen Verfügung erklärte der Anwalt der Sängerin, das Gericht habe nach einer Abwägung zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem Schutz der Privatsphäre zugunsten der Persönlichkeitsrechte der Sängerin entschieden.

"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann wies in einer Stellungnahme darauf hin, dass die No Angels, die 2008 Deutschland beim Grand Prix vertraten, die erfolgreichste deutsche Pop-Band der letzten Jahre sei. "Ihre Poster hängen in Tausenden Teenager-Zimmern. Die Vorbildfunktion der Bandmitglieder steht daher völlig außer Frage", schrieb Diekmann. "Angesichts dieser Vorbildfunktion, aber auch der Schwere der strafrechtlichen Vorwürfe gegen Nadja Benaissa ist das öffentliche Interesse an der Berichterstattung nicht im Ansatz zu bestreiten. (...) Ein Verbot, über die Verhaftung einer derart öffentlichen Person zu informieren, ist deshalb ein schwerer Angriff auf die Pressefreiheit."

Auch die Deutsche Presse-Agentur dpa hatte über den Fall berichtet. Sie teilte nicht die Auffassung des Anwalts der Sängerin, wonach diese keine absolute Person der Zeitgeschichte sei und es sich auch nicht um eine spektakuläre Straftat handele. Die No Angels verkauften ihre Alben zwischen 2000 und 2003 rund fünf Millionen Mal. Im April 2007 startete die wiedervereinigte Pop-Band nach rund drei Jahren Trennung ein Comeback.