Die 27-Jährige soll einen Mann mit HIV angesteckt haben. Wenn die Anklage zugelassen wird, muss sie sich vor Gericht verantworten.

Darmstadt. Anklage gegen No-Angels-Sängerin Nadja Benaissa: Weil sie einen Mann beim ungeschützten Sex mit dem Aids-Virus angesteckt haben soll, will die Staatsanwaltschaft Darmstadt die 27-Jährige sie wegen gefährlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung vor Gericht bringen. Wenn die Anklage zugelassen wird, muss sie sich vor dem Darmstädter Jugendschöffengericht verantworten, da sie zum Tatzeitpunkt wahrscheinlich noch Jugendliche oder Heranwachsende war.

Benaissa habe eingeräumt, dass sie seit 1999 von ihrer HIV-Infektion wusste, teilte die Staatsanwaltschaft am Freitag weiter mit. Deren Sprecher Ger Neuber, erklärte, ihr habe bewusst sein müssen, dass jeder ungeschützte Geschlechtsverkehr zu einer Ansteckung führen könne. Dennoch habe sie ihren Partnern verheimlicht, dass sie mit der Immunschwäche-Krankheit infiziert sei. Zwei weitere Männer, mit denen Benaissa zwischen 2000 und 2004 sexuelle Kontakte gehabt haben soll, blieben von der Ansteckung verschont. Diese Fälle wertet die Anklagebehörde als versuchte gefährliche Körperverletzung.

Die Sängerin war am 11. April 2009 vor einem Auftritt in einer Frankfurter Disco festgenommen worden. Benaissa saß zehn Tage lang bis zum 21. April in Untersuchungshaft.

Das Vorgehen der Ermittlungsbehörden gegen die 27-Jährige hatte erhebliche Kritik und eine neue Debatte über den Umgang mit HIV-Infizierten ausgelöst. Die Deutsche Aids-Hilfe bezeichnete die Verhaftung Benaissas als unverhältnismäßig: „Die hessische Justiz will offenbar ein Exempel statuieren.“ Die Justiz dürfe aber keine Akteurin in der HIV-Prävention sein.

Die Schauspielerin Jessica Stockmann warnte vor einer Hexenjagd auf Benaissa: „Einer HIV-positiven Frau hilft man nicht, indem man sie ins Gefängnis steckt.“ Auch die übrigen Mitglieder der No Angels halten zu Nadja Benaissa. „Wir haben nie den Gedanken gehabt, dass das der Band schaden könnte“, sagte Sängerin Lucy Diakowska: „Wir stehen voll hinter ihr.“

Benaissa selbst hatte sich im vergangenen Juli in der RTL-Sendung „Stern TV“ erstmals öffentlich zu ihrer Infektion bekannt. Durch die Vorgänge der letzten Monate fühle sie sich gebrandmarkt. Sie trage das Virus in sich. Die Infektion sei aber nie ausgebrochen: „Ich bin ein komplett gesunder Mensch, auch wenn ich HIV-positiv bin.“

Im vergangenen November warb die 27-Jährige in einer viel beachteten Rede auf der Berliner Aids-Gala für die Anliegen HIV-positiver Menschen. Nach ihrer Verhaftung im April habe sie kaum die Kraft gehabt weiterzuleben: „Ich dachte nicht nur, mein Leben sei zerstört, auch das meiner neunjährigen, nicht HIV-infizierten Tochter.“

Sie habe in der Vergangenheit unter enormem Druck gestanden, ihre Aids-Infektion geheim zu halten: „Es gab Erpressungen, Drohungen.“ Sie wünschte, sie hätte sich outen können, habe dazu aber nicht die Kraft gehabt. Sie kämpfe noch immer jeden Tag gegen die Angst, früh zu sterben, „denn eigentlich müsste ich bereits tot sein“.

Nicht zuletzt in der Politik wurde das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft kritisiert. Die Ermittler hätten durch eine Presseerklärung wenige Tage nach Benaissas Festnahme die Berichterstattung angeheizt, erklärten die hessischen Grünen. So habe die Staatsanwaltschaft als erste die HIV-Infektion der Sängerin publik gemacht.

Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn stellte sich dagegen hinter die Staatsanwaltschaft. Die Vorgehensweise der Ermittler sei „rechtlich zulässig und fachlich geboten“ gewesen. Der FDP-Politiker verteidigte auch die Verhaftung Benaissas in aller Öffentlichkeit. Die Sängerin sei für die Polizei vorher nicht greifbar gewesen.