Vier Traumtore bringen Spanien den EM-Titel. Das 4:0 ist der bisher höchste Sieg in einem EM-Finale. Italien hatte zu keiner Zeit etwas entgegenzusetzen.

Kiew. Als Spaniens Kapitän Iker Casillas den Coupe Henri Delaunay in die Höhe stemmte, rollten den enttäuschten Italienern noch immer dicke Tränen übers Gesicht. Mit einer 4:0-Galavorstellung hat Spanien erneut den Europameister-Titel gewonnen und damit Fußball-Geschichte geschrieben. Das Weltmeister-Team von Trainer Vicente del Bosque holte am Sonntag im Endspiel in Kiew den dritten großen Titel in Folge und sorgte damit für ein Novum im Weltfußball. Die vor allem aus Spielern des FC Barcelona und von Real Madrid gebildete Elf ist zudem die erste, die einen EM-Titel verteidigen konnte. Das 4:0 gegen den viermaligen Weltmeister Italien war der höchste Finalsieg der EM-Geschichte.

2008 hatte die Dominanz der „Seleccion“ mit dem EM-Triumph von Wien gegen Deutschland begonnen, 2010 folgte der erstmalige WM-Sieg, in Kiew gelang die Krönung mit dem „Triple“. Spanien zog mit dem dritten EM-Titel nach 1964 und 2008 mit Rekordsieger Deutschland gleich. Del Bosque ist der zweite Trainer nach Helmut Schön, der mit seiner Mannschaft die Welt- und Europameisterschaft gewann.

David Silva (14. Minute), Jordi Alba (41.), Fernando Torres (84.) und Juan Mata (88.) schossen im Olympiastadion vor 63.170 Zuschauern die Tore und beendeten den italienischen Traum von einer Wiederholung des Fußballmärchens bei der WM 2006 und vom zweiten EM-Titel nach 1968. Torres, der vor vier Jahren das Endspiel gegen Deutschland entschieden hatte, stieg mit seinem Treffer zum 3:0 zum EM-Torschützenkönig auf. Zwar brachte er es wie Mario Gomez auf drei Tore und eine Vorlage – der Chelsea-Stürmer benötigte dafür aber weniger Spielzeit.

„Ich bin stolz auf meine Spieler. Die ganze Mannschaft hat gut zusammengehalten. Wir hatten viel Ballbesitz, das ist unser Spiel, das haben wir bis zur Perfektion gebracht“, sagte del Bosque über sein Team, das im Turnierverlauf nur einen Gegentreffer kassierte - beim 1:1 gegen Italien in der Vorrunde.

„Es war ein fantastisches Turnier, so wie wir es erwartet hatten. Wir sind sehr glücklich“, sagte Alba, der den zweiten Treffer zum Torreigen beigesteuert hatte. Italiens Trainer Cesare Prandelli zollte seiner Mannschaft trotz der hohen Niederlage Respekt: „Wir waren zwar immer mit Leib und Seele dabei, aber wir haben nicht mithalten können. Wir haben trotzdem Fantastisches geleistet. Wir werden weiter wachsen.“ Kapitän Gianluigi Buffon pflichtete ihm bei: „Wir haben unser Bestes gegeben. Manchmal muss man auch hinnehmen, dass es eine Mannschaft gibt, die besser ist. Spaniens Spieler haben mehr Erfahrung bei so wichtigen Spielen.“

+++Prandelli: "Wir dürfen keine Angst vor Spanien haben"+++

Prandelli musste seine Startelf schon nach 20 Minuten ändern, als er für den verletzten Giorgio Chiellini in der Abwehr Federico Balzaretti brachte. Mit den Wechseln hatte Italien Pech: Antonio di Natale, der in der Halbzeit den angeschlagenen Antonio Cassano ablöste, vergab zwei große Chancen zum Anschlusstreffer (46., 51.). Thiago Motta, der für Riccardo Montolivo kam, spielte nur vier Minuten, ehe er sich eine Muskelverletzung am rechten Oberschenkel zuzog und vom Platz getragen wurde. Die Italiener stemmten sich daraufhin 28 Minuten lang in Unterzahl gegen die Niederlage. Doch die Leistung, die sie beim 1:1 gegen Spanien in der Vorrunde geboten hatten, konnten die Azzurri nicht wiederholen.

Den besseren Start hatten die Spanier. Gute Torchancen hatten Sergio Ramos mit einem Kopfball nach einem Eckstoß (7.) und Xavi, der nach einem Doppelpass mit Fabregas knapp über das Tor zielte (10.). Danach folgte eine perfekte Kombination des Weltmeisters, die zu schnell war für die Blauweißen. Andres Iniesta durchschnitt die Abwehrreihe mit einem Traumpass auf Fabregas, der sich dribbelnd an der Torauslinie durchsetzte und von rechts flankte. Silva, der nur 1,70 Meter große Spieler von Manchester City, köpfte aus sechs Metern kraftvoll und unhaltbar für Buffon ein (14.).

Die Italiener hatten diesen Weckruf offenbar benötigt, denn dieser erste Rückstand, den sie bei der EM hinnehmen mussten, lockte sie aus der Defensive. Torwart Casillas, der seinen 100. Länderspielsieg feiern konnte, klärte im letzten Moment vor Mario Balotelli, dem wohl ansonsten fast ein ähnliches Kopfballtor wie gegen Deutschland gelungen wäre (27.). Dann setzte sich sein Sturmkollege Cassano geschickt im Strafraum durch, aber sein Flachschuss war etwas zu schwach (29.). Viel mehr Mühe hatte der Madrilene mit einem harten Schuss von Cassano aus 18 Metern, den er nur mit den Fäusten unkontrolliert abwehren konnte (33.).


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Doch das offene Spiel der Azzurri wurde bestraft. Diesmal war es Xavi, der bei einem Konter den genialen Pass schlug. Alba übersprintete vier Italiener, und dem 23-Jährigen gelang mit einem Flachschuss das sicher wichtigste Tor seiner Karriere. Die Partie hatte zumindest in dieser Phase damit fast den Charakter angenommen wie beim Halbfinalsieg, als die Deutschen drängten, aber Italien das zweite Tor erzielte.

Anders als die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schlugen die Iberer aber ihren Angstgegner Italien, denn es war für sie der erste Erfolg, nachdem sie keines der vorangegangenen sieben Duelle bei WM- oder EM-Endrunden nach 90 oder 120 Minuten gewinnen konnten. In der zweiten Halbzeit hielten die Italiener bis zum Abgang von Motta mit. Sie hätten sich aber nicht beklagen dürfen, wenn Schiedsrichter Pedro Proenca bei einem Handspiel von Leonardo Bonucci Elfmeter gepfiffen hätte (50.). Die eingewechselten Torres und Mata schraubten das Ergebnis am Ende noch in verdiente Höhen. Es war angerichtet für die große spanische Fiesta, auf die sich nicht nur Kapitän Casillas freute: „Wir wissen, dass unsere Landsleute gut feiern können.“

Torres vor Gomez Torschützenkönig

Mario Gomez hat den Titel als EM-Torschützenkönig zwei Minuten vor dem Ende des Endspiels zwischen Spanien und Italien (4:0) an Fernando Torres verloren. Der spanische Stürmer sicherte sich mit der Vorlage für seinen Clubkollegen Juan Mata vom FC Chelsea den persönlichen Titel. Er tritt die Nachfolge von David Villa an, der 2008 mit vier Toren die Torjägerliste angeführt hatte.

Torres hat drei Tore und eine Vorlage auf seinem Konto, exakt wie Gomez, der aber mehr Spielminuten aufzuweisen hat als der spanische Stürmer und damit im offiziellen Uefa-Ranking hinter Torres zurückfällt.

Gomez erzielte seine drei EM-Tore in den Vorrundenpartien der DFB-Elf gegen Portugal (1:0) und die Niederlande (2:1) und leistete einen Assist für Lukas Podolski gegen Dänemark (2:1). Torres traf doppelt in der Vorrunde beim 4:0 gegen Irland und im Finale neun Minuten nach seiner Einwechslung zum 3:0. Dann legte er noch für Mata auf. Damit haben Torres und Gomez ebenso viele Treffer auf ihren Konten wie Mario Balotelli (Italien), Alan Dsagojew (Russland), Mario Mandzukic (Kroatien) und Cristiano Ronaldo (Portugal), die jedoch alle keinen Assist aufweisen.

(dapd/dpa/abendblatt.de)

Die Statistik

Spanien: 1 Casillas – 17 Arbeloa, 3 Piqué, 15 Sergio Ramos, 18 Alba – 8 Xavi, 16 Busquets, 14 Xabi Alonso – 10 Fabregas (ab 75. Torres) – 21 Dav. Silva (ab 59. Pedro), 6 Iniesta (ab 86. Mata)

Italien: 1 Buffon – 7 Abate, 15 Barzagli, 19 Bonucci, 3 Chiellini (ab 21. Balzaretti) - 21 Pirlo – 8 Marchisio, 18 Montolivo (ab 56. Thiago Motta), 16 De Rossi – 9 Balotelli, 10 Cassano (ab 46. Di Natale)

Schiedsrichter : Pedro Proenca (Portugal)

Zuschauer: 64.000

Tore: 1:0 Silva (14.) , 2:0 Alba (41.) , 3:0 Torres (84.) , 4:0 Mata (88.)