Vor dem Halbfinale gegen Deutschland redete Andrea Pirlo dem Gegner noch Angst ein. Vor dem Finale gegen Spanien kehrt sein Trainer die Rhetorik um.

Kiew. Sie haben Wort gehalten. "Auf Wiedersehen“ (nos vemos - ci vediamo) versprachen sich Spanier und Italiener nach ihrem hochklassigen Gruppenmatch. Jetzt treffen sich der Titelverteidiger und das Überraschungsteam im Finale der Fußball-Europameisterschaft am Sonntag wie vereinbart.

"Vielleicht hat Spanien die größeren Chancen, zu gewinnen“, sagte Italiens Torwart Gianluigi Buffon bei der Pressekonferenz einen Tag vor dem Spiel. "Sie haben zuletzt alle großen Titel gewonnen, haben einen eigenen, erfolgreichen Stil und sie haben eine große individuelle Qualität. Aber unsere Stärke ist die Solidarität und dass bei uns alle an einem Strang ziehen. Ich hoffe, dass wir bei diesem Turnier bis zum Ende die Überraschungsmannschaft bleiben.“

Spanien will das historische Titel-Triple perfekt machen. "Wir haben bereits Geschichte geschrieben und wir wollen weiter Geschichte schreiben“, kündigte der auch von Buffon hoch geschätzte Keeper Iker Casillas an. Und Spielmacher Xavi betonte am Sonnabend: "Wir wollen allen zeigen, dass wir noch hungrig auf Siege sind.“

Die Azzurri warten seit 44 Jahren auf einen zweiten EM-Triumph. Im Turnierverlauf hat sich Italien aber als äußerst titelwürdig präsentiert. "Wir dürfen keine Angst vor Spanien haben“, sagte Trainer Cesare Prandelli. Er treibt seine Spieler zu einer letzten Höchstleistung an. "Seit dem Spiel in Danzig sind wir physisch und mental stärker geworden.“ Außerdem hätte sein Team den "Wettskandal und viele andere Schwierigkeiten psychologisch positiv genutzt“.

Staatspräsident Giorgio Napolitano schrieb der Mannschaft einen Brief zum Endspiel, in dem der 87-Jährige "den Teamspirit, die Entschlossenheit und die Großzügigkeit“, der Spieler lobte. In Zeiten der Wirtschaftskrise würden solche Eigenschaften nicht nur dem Nationalteam selbst weiterhelfen, sondern auch dem ganzen Land.

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Der verdiente 2:1-Erfolg im Halbfinale gegen Deutschland hat dem viermaligen Weltmeister noch mehr Schwung gegeben. Die Spanier konnten dagegen aus dem mühevoll erkämpften 4:2 im Elfmeterschießen gegen Portugal kaum zusätzliches Selbstvertrauen schöpfen.

Vor allem Eckpfeiler wie Xavi oder Sechser Xabi Alonso wirken nach einer kräftezehrenden Saison müde. Von der Form dieser beiden Leistungsträger hängen Wohl und Wehe der "selección“ entscheidend ab. Wenigstens stellt sich die Frage nach der Sturmbesetzung nicht mehr. Fàbregas hat sich mit seinem souverän verwandelten entscheidenden Elfer gegen die Portugiesen seinen Startplatz für das Finale am Sonntag (20.45 Uhr/ZDF) gesichert. Der Not-Neuner hatte schon im Gruppenspiel gegen Italien das 1:1 erzielt.

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Aufseiten der Italiener steht die Aufstellung so gut wie fest. Anders als am 10. Juni wird Prandelli keiner Dreierabwehrkette, sondern seine Viererreihe in der Defensive aufbieten. Sollte Teamarzt Enrico Castellacci nicht überraschend mit schlechten Nachrichten kommen, wird Italien mit einer Ausnahme die selbe Anfangsformation wie gegen die DFB-Elf aufbieten. Ignazio Abate könnte wieder auf die rechte Abwehrseite zurückkehren.

Ein kleines Fragezeichen stand kurzfristig hinter Stürmer Antonio Cassano. Der Vorbereiter zum 1:0 gegen Deutschland zog sich im Halbfinale eine leichte Verstauchung des rechten Knies zu. Beim Abschlusstraining am Samstagabend im Olympiastadion von Kiew war der Milan-Star aber wieder ohne Probleme dabei.