Der Titelverteidiger zittert sich mit dem 4:2 im Elfmeterschießen gegen Portugal ins dritte große Endspiel – Fabregas behält die Nerven.

Donezk. Als Spaniens Elfmeter-Held Cesc Fabregas den entscheidenden Ball versenkt hatte, sprang er Torhüter Iker Casillas siegestrunken in die Arme. Im Mittelkreis stand unterdessen Cristiano Ronaldo und schüttelte ungläubig den Kopf – der als fünfter Schütze nominierte Superstar der Portugiesen musste gar nicht mehr antreten.

+++ Liveticker zum Nachlesen +++

Weltmeister Spanien hat im Elfmeterkrimi von Donezk die stärkeren Nerven bewiesen und kann trotz eines spielerisch erneut biederen Auftritts weiter vom dritten großen Turniergewinn nacheinander träumen. Nach 120 Minuten hatte Außenseiter Portugal dem Titelverteidiger am Mittwoch im EM-Halbfinale ein 0:0 abgerungen. Anschließend versagten aber Bruno Alves mit einem Schuss an die Latte die Nerven und Fabregas verwandelte den entscheidenden Elfmeter zum 4:2 Endstand. Zuvor hatten Rui Costa und Casillas je einen Elfmeter pariert.

Für die nun seit 19 Spielen ungeschlagenen Spanier ist es nach 1964 und 2008 der dritte Einzug in ein EM-Finale. Dort trifft die Seleccion am kommenden Sonntag in Kiew entweder auf Deutschland oder Italien, die am Donnerstag in Warschau den zweiten Endspielteilnehmer ermitteln. „Die Mannschaften sind sich ziemlich ähnlich“, urteilte Spaniens Trainer Vicente del Bosque. „Deutschland könnte etwas stärker sein, wir werden sehen.“

+++ Das Duell um die Nummer eins im Tor +++

"Ich habe schon vorher gespürt, dass ich den Elfmeter verwandeln werde“, sagte Fabregas, der schon 2008 im EM-Viertelfinale gegen Italien den entscheidenden Elfmeter geschossen hatte. „Noch ein Finale zu erreichen, ist fast ein Wunder.“

Sergio Ramos hatte ebenfalls ganz cool getroffen. „Wir sind verdient im Finale. Das Kollektiv ist wichtig, und ich bin sehr stolz darauf, in dieser Mannschaft zu sein“, sagte er. Deutschland oder Italien, das ist dem Abwehrrecken von Real Madrid egal. „Ich hoffe, der bessere gewinnt, wir haben unsere Arbeit gemacht.“

+++ Schon wieder Fado: Portugal zeigt Nerven gegen Spanien +++

Die Portugiesen, die vergeblich auf ihr erstes EM-Endspiel seit 2004 gehofft hatten, waren am Boden zerstört. „Wir sind furchtbar traurig“, sagte Nelson Oliveira. „Wir können aber erhobenen Hauptes vom Platz gehen, denn wir haben auf Augenhöhe gespielt. Wir haben ein großes Spiel gemacht.“ Trainer Paulo Bento attestierte seinem Team eine starke Leistung. „Wir hätten das Spiel schon in 90 Minuten entscheiden können“, sagte er. „Wenn ich mir hätte aussuchen können, wie wir verlieren, hätte ich nicht diesen Weg gewählt.“

Del Bosque hatte mit seiner Startformation überrascht. Anstelle der in den bisherigen EM-Spielen in der Spitze aufgebotenen Fabregas oder Fernando Torres setzte der 61-Jährige auf Alvaro Negredo. Der Angreifer war im Turnier zuvor nur eine Minute zum Einsatz gekommen und fand im ersten Durchgang kaum in die Partie. Dies lag zum einen an der fehlenden Bindung zum Spiel seiner Mannschaftskollegen. Zum anderen schaffte es die Seleccion aber insgesamt nicht, den Gegner mit ihrem Kurzpass-Spiel wie gewohnt zu zermürben.

Portugal mit zunehmender Spielzeit immer mutiger

Nach einer meist ereignislosen Anfangsphase, in der nur Alvaro Arbeloa gefährlich für die Spanier zum Abschluss gekommen war (9.), wehrte sich Portugal zunehmend mutiger. In der 13. Minute hatte Ronaldo seinen ersten großen Auftritt auf dem linken Flügel. Die Flanke des Außenstürmers landete aber in den Händen von Casillas. Dennoch schienen die von Beginn an hochmotivierten Portugiesen aus dieser Aktion weitere Kräfte zu schöpfen.

Früh wurden die Spanier im Aufbau gestört und immer wieder in ihrem Spielfluss unterbrochen. Wenn der Ball doch einmal über mehrere Stationen und ohne Raumgewinn durch Spaniens Mittelfeld zirkulierte, reagierte ein Großteil der Zuschauer mit Pfiffen. Dennoch blieb der Titelverteidiger bei den wenigen Torraumszenen der ersten 45 Minuten gefährlicher als der Gegner. Andres Iniesta, der sich gemeinsam mit Xavi nach Kräften um Struktur im Spiel seiner Mannschaft bemühte, zielte aber zu ungenau (29.). Zwei Minuten später hatte Ronaldo Portugals beste Möglichkeit vor der Pause. Sein Flachschuss aus 16 Metern strich nur Zentimeter am spanischen Tor vorbei.

Mehr Spannung als Spektakel

Neun Minuten nach dem Seitenwechsel erklärte del Bosque den Versuch mit Negredo, der es bis dahin auf nur 17 Ballkontakte gebracht hatte, für beendet und wechselte Fabregas ein. Die offenkundigen Probleme beim Spielaufbau der sonst so ballsicheren Spanier konnte aber auch der 25-Jährige nicht beheben. Stattdessen suchte Portugal über Ronaldo und den ehemaligen Bremer Bundesligaprofi Hugo Almeida den Weg nach vorn. Wirklich zwingend waren aber auch diese Aktionen kaum, sodass die Begegnung einzig Spannung, aber kaum Spektakel zu bieten hatte.

Als sich alles schon auf die Verlängerung einstellte, ergab sich plötzlich noch eine Konterchance für die Portugiesen, doch Ronaldo schloss viel zu hastig ab (90.). Auch die zusätzliche halbe Stunde brachte keinen Fußball auf hohem Niveau. Während sich die Portugiesen ins Elfmeterschießen retten wollten, waren die Spanier nah dran am Siegtor. Doch Iniesta scheiterte in der 104. Minute aus kurzer Distanz am glänzend reagierenden Rui Patricio. Und auch gegen Jesus Navas war der portugiesische Keeper auf der Hut (111.).