Polizei verstärkt Präsenz auf Fanfesten. Beide Seiten bemühen sich um Beruhigung.

Hamburg/Basel. Die Emotionen kochen hoch, auf beiden Seiten hofft man dennoch auf Besonnenheit: Kurz vor dem Halbfinale der Fußball-EM zwischen Deutschland und der Türkei haben Vertreter von Parteien, Vereinen und Verbänden die Fans aufgerufen, die Begegnung morgen Abend in Basel als gemeinsame Fußballparty zu betrachten.

"Lasst uns ein Volksfest zwischen den Nationen feiern", bat der in Gelsenkirchen geborene türkische Spielmacher und Bayern-München-Star Hamit Altintop. Bundestrainer Joachim Löw, der in seiner Karriere bereits zwei türkische Vereine trainierte, wünschte sich gestern, "dass es bei dem Spiel keine Provokationen gibt und das deutsch-türkische Verhältnis nicht belastet wird". In Deutschland leben etwa 2,5 Millionen türkischstämmige Menschen.

Die Polizei kündigte an, in den Großstädten mit einem verstärkten Aufgebot präsent sein zu wollen. Befürchtungen, es könne nach dem Spiel zu schweren Ausschreitungen kommen, teilen die Einsatzleiter indes nicht. "Wir gehen davon aus, dass es ein friedliches, fröhliches Fußballfest geben wird", sagte Hamburgs Polizeisprecher Ralf Meyer. Allein beim Fanfest auf dem Heiligengeistfeld - bisher Deutschlands größte "Public Viewing"-Zone, Berlin öffnet erst morgen - werden bis zu 50 000 Menschen erwartet. Die Organisatoren wollen das zuletzt für maximal 35 000 Besucher ausgelegte Gelände auf 45 000 Plätze erweitern. Wegen des Andrangs will sich Hamburgs Polizei Hilfe aus den Nachbarbundesländern holen. Dass es nach dem Spiel völlig friedlich bleiben wird, gilt polizeiintern als unwahrscheinlich.

Politiker bemühen sich um Deeskalierung. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will ebenso nach Basel reisen wie Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Außerdem werden "hochrangige Besucher" aus der Türkei erwartet, erfuhr das Abendblatt.

Gestern besuchten der Hamburger SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann und sein Parteikollege Bülent Ciftlik gemeinsam mit Vertretern türkischer Vereine das Polizeikommissariat an der Mörkenstraße (Altona), um sich für die Geduld der Beamten bei vorangegangenen Siegesfeiern zu bedanken. Unter dem Motto "Hand in Hand ins Finale" verteilten Mitglieder des Vereins Hamburger Kaufleute und der türkischen Zeitung "Zamam" 10 000 Flugblätter, auf denen Deutsche und Türken aufgerufen werden, morgen in Freundschaft zu feiern. Für ein "gemeinsames Spiel für Europa" sprach sich auch eine Medieninitiative aus. Die Erklärung unterzeichneten die Verleger Hubert Burda und Aydun Dogan sowie die Chefredakteure Helmut Markwort ("Focus"), Ertugrul Özkök ("Hürriyet") und Kai Diekmann ("Bild").

Türken-Star Hamit Altintop "Dieses Spiel ist eine große Chance, der Integration einen Schritt näherzukommen", sagte der in Gelsenkirchen aufgewachsene türkische Spielmacher "Spiegel Online". "Das ist ein ganz besonderes Spiel für mich. Ich habe Deutschland viel, eigentlich alles zu verdanken. Aber sobald ich das Trikot trage, fühle ich diesen Patriotismus, meine Zugehörigkeit zur Türkei. Mit den guten und weniger guten Seiten."

Bundestrainer Jogi Löw "Meine Zeit bei Fenerbahce Istanbul hat mich unheimlich geprägt, auch für mein weiteres Leben." Kurz vor dem Spiel lobte Bundestrainer Joachim Löw - 1998 und 2001 Trainer in der Türkei - demonstrativ seinen Halbfinalgegner: "Ich habe eine unglaubliche Gastfreundschaft, Menschlichkeit und Herzlichkeit erlebt. Und ich habe gelernt, was Identifikation mit einem Land bedeutet."

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