Spontane Vorbereitung in Wien - Einspruch gegen Volkan-Sperre von der Uefa abgewiesen.

Wien. Die Europameister im Quartiere-Wechseln sind sie schon. Anfang Juni bereitete sich die türkische Mannschaft in Nyon bei Genf auf die EURO vor. Vor dem Viertelfinale zog man nach Krems, 90 Kilometer vor Wien. Nach dem siegreichen Viertelfinale beschloss Trainer Fatih Terim dann, in der Donaustadt zu bleiben und residiert nun mit seiner Mannschaft im Hilton, obwohl das Halbfinale bekanntlich in Basel angepfiffen wird.

Während die Deutschen ihre Trainingspläne akribisch vorbereiten und frühzeitig bekannt geben, sind die Türken spontaner und improvisieren gern, doch das Netzwerk der Fans funktioniert dennoch prächtig, schließlich leben über 40 000 Türken in Wien. Als die Spieler im Franz-Horr-Stadion von Austria Wien eine kurzfristig angesetzte Einheit absolvieren wollen, sind schon über 1000 frenetische Anhänger vor Ort - obwohl das Training als nicht öffentlich angesetzt war und auch bleibt.

Die Journalisten dürfen zuschauen und erkennen schnell, dass sich das Programm ungewöhnlich gestaltet: Dem Dehnen zu Beginn folgen lockere Gespräche mit den Medien.

Die klare Nummer eins der Gesprächsanfragen ist Hamit Altintop, der in den bisherigen Spielen nicht nur mit seiner ungeheuren Laufbereitschaft, sondern auch intelligenten Ideen für den Spielaufbau glänzte. "Ich glaube fest daran, dass wir das Endspiel erreichen können, das muss unser Ziel sein", sagt der in Gelsenkirchen geborene Profi von Bayern München, "und ich verspreche: Trotz der vielen Ausfälle werden wir mit elf Spielern auf dem Platz stehen." Obwohl derzeit nur zwölf Feldspieler gesund sind...

Der 25-Jährige, der täglich mit seinem nicht nominierten Zwillingsbruder Halil (Schalke 04) telefoniert, erzählt von der riesigen Euphorie in seiner Heimat, warnt aber: "Der Sieger soll auf den Straßen feiern - aber nur der Sieger. Dieses Halbfinale darf nicht dazu dienen, mit Nationalismus andere Menschen zu provozieren." Nicht nur bei Altintop, auch bei seinen Mitspielern und den Trainern ist das Bemühen erkennbar, sich nach den Jagdszenen nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Schweiz in einem besseren Licht darzustellen - ohne dabei die Siegessicherheit zu verlieren.

Torwart Recber Rüstü, der nach der erfolglosen Berufung der Türken gegen die Zwei-Spiele-Sperre von Stammkeeper Volkan erneut im Tor stehen wird, errechnet vor dem Duell eine 50:50-Chance: "Es wird ganz anders sein, als jeder erwartet. Wir werden ganz Deutschland zeigen, was wir können und kümmern uns nicht um deren Favoritenrolle."

Zurück zu Altintop. Den Vergleich, dass die Türken auf den Spuren des entthronten Europameisters Griechenland wandeln, zieht er nicht so gerne: "Was die Griechen vor vier Jahren gezeigt haben, war nicht so schön. In unseren Begegnungen war bisher mehr. Da ist Spielwitz, Spannung und Euphorie. Aber es stimmt, wir können jetzt gegen jeden gewinnen, auch gegen Deutschland."

Für Altintop erklärt sich der überraschende Einzug der Türken ins Halbfinale damit, dass etliche Akteure in ausländischen Ligen wertvolle Erfahrungen sammeln konnten: "Aber auch die türkische Liga entwickelt sich in die richtige Richtung, deshalb fallen diese Spieler nicht ab." Für den Mittelfeldspieler ist klar: "Wir werden spielerisch einen Tick besser sein als die Deutschen. Sie sind wiederum defensiv ein bisschen besser." Das Erfolgsrezept müsse sein, so zu spielen wie Kroatien gegen Deutschland: schnell, aggressiv. "Und dann müssen wir mit unserem Spielwitz zuschlagen." Zudem seien die positiven Emotionen und Leidenschaft eine nicht zu unterschätzende Stärke.

Ein schriller Pfiff unterbricht nach einigen Minuten die Plauschrunde. Zeit für die weitere Trainingsarbeit im Stadion, das im 10. Bezirk Wiens liegt, der tatsächlich "Favoriten" heißt. Wo als dort könnte die Vorbereitung auf Deutschland besser aussehen?