Bei Steuersünder Uli Hoeneß kamen die Emotionen hoch, als der FC Bayern durch den Champions-League-Gewinn sein Lebenswerk krönte. Erneut gab es die Gewissheit, dass Club und Mannschaft auch in den schwierigen Tagen zum Macher stehen.

London. Bastian Schweinsteiger drückte Uli Hoeneß vor Millionen Augenzeugen den riesigen silbernen Pokal in die Hand. Nur zögerlich griff der Vereinspatron zu, hob die begehrteste Trophäe im europäischen Vereinsfußball dann fast schon demütig in die Höhe – und durfte sich über solidarische „Uli, Uli, Uli“-Rufe aus der Bayern-Kurve freuen. „Ich spüre bei allen Spielern, dass sie sich sehr für mich gefreut haben. Das zeigt, dass man nicht alles falsch gemacht hat in den letzten zehn Jahren“, bekundete der am Tag des großen Triumphes sehr zurückhaltende Hoeneß, für den es auch ein Wiedersehen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel gab. Von den Kameras eingefangen wirkten diese Momente des Londoner Abends unspektakulär.

Vor dem Spiel hatten sich Hoeneß und die Kanzlerin begrüßt, nach dem Schlusspfiff gab es im Londoner Wembleystadion einen neuerlichen Händedruck der Regierungschefin für den Bayern-Macher mit dem rot-weißen Schal um den Hals. Die CDU-Chefin war dem Mann nicht ausgewichen, der sie mit seiner Steuersünde so „enttäuscht“ hatte.

Der Tag, der mit dem neuerlichen Champions-League-Gewinn sein Lebenswerk krönte, war auch kein unbeschwerter für den 61 Jahre alten Hoeneß. Zumindest nach außen, vor den Augen und Ohren der Welt, wirkte der Vereinspräsident und Aufsichtsratsvorsitzende seltsam distanziert in der Stunde des sportlichen Triumphes seines FC Bayern. „Das ist nicht mein Titel, sondern der des FC Bayern“, sagte Hoeneß im TV-Studio von „Sky“, wo er wieder den Henkelpott in die Hand gedrückt bekam. Er freue sich, „dass der Verein nun in Europa ganz oben ist“.

Bescheiden hielt sich der frühere Lautsprecher und Frontmann Hoeneß in London im Hintergrund. „Es war für mich in den letzten Wochen nicht einfach, aber die Mannschaft und der Verein haben unglaublich zu mir gestanden“, betonte er dankbar. Nach wie vor steht das Ermittlungsergebnis der Münchner Staatsanwälte nach seiner Selbstanzeige im Januar aus, das Einfluss auf seine weitere Mission im Verein und sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern AG haben dürfte.

Die prominenten Firmenchefs der Großsponsoren von Audi über Adidas und Telekom bis zu VW hatten ihn vor drei Wochen einmütig im Amt gehalten, was ihnen öffentlich und von politischer Seite einige Kritik eintrug. „Vor den wichtigen Endspielen in Champions League und DFB-Pokal wäre es falsch gewesen, noch mehr Unruhe in den Verein hereinzutragen. Wir haben das nach meiner Überzeugung richtig entschieden“, sagte VW-Chef Martin Winterkorn der „Bild am Sonntag“. Er sagte aber auch: „Sollte es neue Erkenntnisse geben, werden wir das erneut besprechen.“

Im Kreis der Bayern-Familie verspürt Hoeneß immensen Halt. Trotzdem schien es ihm nicht zu behagen, als ihn Vorstand Jan-Christian Dreesen bei der Siegesfeier, bei der auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zu den Gästen zählte, fast auf die Bühne zwang. „Wir wollen den Uli sehen“, stimmte er an. „Uli hat ohne Frage schwere Zeiten erlebt in diesem Jahr“, sagte der eingreifende Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der seinem langjährigen Freund zusicherte: „Wir stehen schwere Zeiten gemeinsam durch.“

Hoeneß war bewegt, seine Augen wurden feucht. Das Wort ergriff er nicht. Jetzt, wo sein Club da angekommen ist, wo er immer hin wollte, wirkte er inmitten der fröhlichen, losgelösten Feiergemeinde nicht wie der große Triumphator, sondern in sich gekehrt. Verständlicherweise. Immerhin: Als sich Schweinsteiger bei seiner nächtlichen Tour durch den Bankettsaal mit dem Präsidenten nebst Henkelpott ablichten ließ, und den Vereinspatron von hinten umarmte – in diesem Moment lächelte Hoeneß einfach nur glücklich.