HAMBURG. Wer das Union-Rennen in Köln gewinnt, so eine uralte Turfweisheit, geht auch im Deutschen Derby als Favorit an den Start. Und vielleicht gelingt es Andrasch Starke (33) am Sonntag tatsächlich, im Sattel des dreijährigen Hengstes Axxos den Coup des Vorjahres zu wiederholen. Als er, getragen von den Ovationen der mehr als 40 000 in Horn, mit Schiaparelli das Blaue Band gewann. Ein "Heidjer Jung" als Jockey auf einem Vollblüter aus Hamburger Besitz - das war so ganz nach dem Geschmack des Publikums.

An den ersten drei Renntagen des diesjährigen Meetings ritt Starke sich schon mal warm. Mit Schiaparelli obsiegte er souverän am Sonntag im Idee-Hansa-Preis, und hinterher freute sich Besitzer Franz-Günther von Gaertner: "Wenn der Boden noch weicher gewesen wäre, hätte er die Gegner verloren." Insgesamt gewann Starke bisher sechs Rennen in Horn und ist damit die Nummer eins unter den Jockeys vor Andreas Helfenbein (fünf).

Wie sind denn die Derbychancen mit Axxos, Herr Starke? Der Reiter mit dem für seine Zunft ungewöhnlichen Gardemaß von 1,72 Metern mopst sich ein paar Haribos aus der Tüte einer Pferdepflegerin, quittiert den tadelnden Blick mit entwaffnendem Lächeln, beendet den Flirt als Sieger und lässt sich auf der Holzbank im "Schiaparelli-Biergarten" nieder. Der Regen stört ihn wenig.

"Er kennt nur gute Leistungen, Axxos ist ein Klassepferd", sagt Starke über seinen Starter. "Vom Kopf her ist der Hengst sehr ruhig, und im Endkampf entwickelt er unheimlichen Speed." Ein kleines Fragezeichen stehe hinter seinem Faible für weichen Boden - sollte es weiter regnen, könnte er sogar zu weich werden.

Und wie sieht es mit dem Boden grundsätzlich aus, jenem unter den Füßen? "Alles im grünen Bereich!" entgegnet er. Gemeint sind die Eskapaden als junger Wilder. Andrasch präsentierte sich als bester deutscher Jockey, als Überflieger mit Charisma, schlug indes hin und wieder über die Stränge.

Er verließ die Schule vorzeitig, absolvierte die Ausbildung keineswegs so diszipliniert wie andere, fetzte sich leidenschaftlich mit dem verstorbenen Championtrainer Bruno Schütz, brach einen Hongkong-Trip nicht ganz nüchtern ab und wurde 2001 nach Kokainmissbrauch an gleicher Stätte gar für ein halbes Jahr gesperrt. Nicht nur einmal zog sich Andrasch eine blutige Nase zu. Auch direkt nach dem Zieleinlauf, durch eine Kopfnuss nach Disput mit seinem Kollegen Paul Alfort. Das saß.

Ausgetobt, abgehakt, vorbei. Sagt Starke. Das Enfant terrible, so scheint es, ist zum Mann gereift. Statt Remmidemmi zu veranstalten, frönt er heute lieber seinem Hobby, dem Angeln: "Da wird der Kopf klar, es kehrt Ruhe ein, ich lasse die Sinne schweifen." Das ist gut für einen, der mit Charme wie Talent meist leichtes Spiel hatte.

Nach wie vor fliegen ihm die Sympathien zu, nach wie vor glänzt er mit taktischem Gespür und "goldenem Händchen", nach wie vor führen viele Rennen, besonders die bedeutenden, über den 74 Kilogramm schweren Norddeutschen. Der in Hanstedt in der Nordheide aufwuchs (seine Eltern leben immer noch dort), der vor vier Monaten als Stalljockey in den Asterblüte-Stall von Trainer Peter Schiergen nach Köln wechselte, der mit dem Flugzeug durch die Turfwelt jettet, aber es auch mit seinem Porsche auf gut und gern 70 000 Kilometer jährlich bringt. Nicht mehr konstant Bleifuß, so wie einstmals, aber immer noch schnell genug.

Auch Sonntag, nach dem Paraderitt auf Schiaparelli, brauste Starke zurück gen Rhein. Seit Dienstag aber, seit er mit dem schnellen El Tango den traditionsreichen "Langen Hamburger" für sich entschieden hatte, bleibt der fünffache Championjockey, der es bisher auf weit mehr als 1500 Siege brachte (fast hundert davon in Grupperennen) fest in Hamburg - bis zum Derbytag.

Andrasch Starke logiert im Interconti-Hotel an der Außenalster, joggt morgens zwischen Kennedy- und Krugkoppelbrücke und nutzt die nahe City zum abendlichen Schlummerdrink. Einem Rendezvous mit Prickelcharakter steht Andrasch keineswegs ablehnend gegenüber: "Ich bin solo - und ich suche noch." Am liebsten in Hamburg.

"Leute, ihr wisst gar nicht, in welch herrlicher Stadt ihr lebt", pflegt er den Derby-Gastgebern immer wieder zu sagen. Er liebe das maritime Flair, die weltstädtische Note, die hanseatische Zurückhaltung. "Immer wenn ich hier bin, ist die Welt für mich in Ordnung!" Da ist es konsequent, dass der Wohnsitz für später schon feststeht: "Ich kenne viel von der Welt, aber intensiv hüpft mein Herz nur, wenn ich in der Lüneburger Heide oder in Hamburg bin."

Dieses gewinnende Gefühl könnte am Sonntag gegen 17 Uhr eine weitere Steigerung erfahren. Dann nämlich, wenn Andrasch Starke und sein Hengst Axxos tatsächlich Derbysieger werden sollten.