Als die deutschen Frauen erfolgreich ihre erste Schlacht in der Loipe und am Schießstand gegen die russischen Konkurrentinnen geschlagen hatten,

Pyeongchang. Als die deutschen Frauen erfolgreich ihre erste Schlacht in der Loipe und am Schießstand gegen die russischen Konkurrentinnen geschlagen hatten, begann das nächste Scharmützel im Medienzentrum von Pyeongchang. Kati Wilhelm redete sich ihren Frust von der Seele, während die Russin Olga Saizewa verlegen kicherte. Wie in einem chemischen Labor zwei unterschiedliche Substanzen vermengt heftig reagieren können, verhielt es sich mit den Aussagen der beiden auf ein Thema: Doping.

Im Lager der Deutschen wächst die Wut über den Umgang der russischen Mannschaft mit den drei prominenten Dopingfällen in deren Team. Sprint-Weltmeisterin Wilhelm war "maßlos enttäuscht", dass die nicht auffällig gewordenen Russinnen die Dopingfälle nicht klar verurteilten. "Ich habe Angst, dass in Pyeongchang so ein Spruch kommt wie bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin." Da stiftete die russische Goldstaffel Verwirrung mit dem Ausspruch ihrer Läuferin Swetlana Ischmuratowa: "Wir widmen diese Medaille Olga Pylewa", der kurz zuvor Doping-gesperrten Kollegin. "Wir lieben und vermissen sie."

Diesmal äußerte sich die im Sprint und einen Tag später in der Verfolgung drittplatzierte Saizewa etwas moderater, ohne jedoch auf Distanz zu gehen zu den Betrügern. Die Stimmung in ihrem Team beschrieb sie als "völlig normal".

Der Pressesprecher des Deutschen Skiverbandes (DSV) holte daraufhin bei seinem Sportdirektor Thomas Pfüller die Erlaubnis ein, künftig etwaige deutsche Medaillengewinner bei ähnlich irritierenden Aussagen aus Protest zum Verlassen der internationalen Pressekonferenz auffordern zu können.

Die Fronten verschärften sich zusätzlich, als bekannt wurde, wie gelassen die Sünder mit ihrem Makel umgehen. Im Flugzeug nach Moskau sei die Stimmung "sehr locker" gewesen, berichtete Jekaterina Jurjewa im russischen Fernsehen, sie und ihre beiden zurückbeorderten Kollegen hätten "gescherzt und Kaffee getrunken". Sie schob die Schuld auf die Ärzte: "Wir haben ein reines Gewissen."

Wilhelm, die sarkastisch anmerkte, sie würde es merken, wenn man ihr eine Spritze setze, fürchtet einen beträchtlichen Imageschaden durch betrügende Biathleten. "Ich habe Angst, dass sich viele von uns abwenden, weil sie wissen, dass sie im Radsport genug verarscht wurden. Da haben auch alle beteuert, dass sie nichts nehmen. Ich habe Angst, dass ein Klima des Misstrauens aufkommt. Dann könnten sich auch die Sponsoren und das Fernsehen zurückziehen."

Bei einer Anhörung vor dem Präsidenten des russischen Biathlon-Verbandes (RBU), Michail Prokorow, gaben Jurjewa, Albina Achatowa und Dimitri Jaroschenko ihr Dopingvergehen zu. Von ihren Fans in der Heimat werden die sündigen Athleten als Werkzeuge überehrgeiziger Funktionäre dargestellt. In einem dramatischen Appell wandten sich Anhänger der Biathleten in einem offenen Brief an Präsident Dimitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin. Darin fordern sie Reformen in der Sportpolitik. "Wir sind überzeugt, dass nicht ohne die Teilnahme hochgestellter Personen gedopt wurde, die jetzt die Schuld auf die Sportler schieben."

Die Affäre könnte tatsächlich zu mindestens einem prominenten Opfer führen, weil das Ansehen des gesamten russischen Sports leidet. Die Auftritte des IBU-Vizepräsidenten Alexander Tichonow, der immer noch die positiven Dopingtests in Frage stellt, fand die RBU-Direktorin Jelena Anikina "peinlich". Es sei fraglich, ob er zur Wiederwahl vorgeschlagen werde. Sie kündigte eine umfassende Untersuchung zur Rehabilitierung des gesamten russischen Sports unter ihrem Chef Prokorow an. "Wir verurteilen Doping aufs Schärfste", sagte Anikina. "Auch werden wir die Kontrollen in Russland verschärfen." Eine Umstrukturierung des Verbandes könne auf einer RBU-Sitzung im Frühjahr eingeleitet werden. Dann sollen Tichonow und dessen Günstlinge entmachtet werden.

Bis dahin muss die Krisenmanagerin viel Überzeugungsarbeit leisten. Denn sie könne verstehen, dass Trainer anderer Nationen über Sanktionen gegen die gesamte russische Mannschaft debattieren, dafür bestehe allerdings kein Grund. "Ich versichere Ihnen", sagte Anikina, "dass es bei uns im Team kein systematisches Doping gab und gibt. Es handelt sich um Einzelfälle." Dann aber um drei zur selben Zeit. Ein bisschen viel Zufall ist das schon.