Er ist einer der erfolgreichsten Sportler aller Zeiten, seit 16 Jahren Weltspitze, fünf Mal Olympiasieger. Doch eine Situation wie diese, gestand...

Pyeongchang. Er ist einer der erfolgreichsten Sportler aller Zeiten, seit 16 Jahren Weltspitze, fünf Mal Olympiasieger. Doch eine Situation wie diese, gestand Ole Einar Björndalen später, habe er noch nie erlebt. Titel da, Titel weg, Titel wieder da: Der Biathlon-Rekordweltmeister wurde bei der WM im südkoreanischen Pyeongchang nur nach mehreren Protesten am Sonntag auch zum Weltmeister im Verfolgungsrennen über 12,5 Kilometer erklärt. Erst drei Stunden nach seinem Zieleinlauf konnte sich der Norweger über seinen nächsten Gold-Coup freuen. Es war der zwölfte WM-Sieg und der 86. Weltcup-Erfolg des 35-Jährigen, der damit zum schwedischen Rekordhalter Ingemar Stenmark aufschloss. Der hatte im alpinen Skizirkus in den 70er- und 80er-Jahren ebenso viele Siege einfahren können.

Die Medaillen-Entscheidung traf in letzter Instanz die Berufungsjury der Biathlon-WM. "Wir haben den Wettkampf rekonstruiert und festgestellt, dass sich damit kein Athlet einen Zeitvorteil verschafft hat. Also gab es weder für Zeitstrafen oder Disqualifikationen einen Grund", erklärte Gottlieb Taschler. Der Südtiroler Vizepräsident der Internationalen Biathlon-Union gehörte mit den beiden anderen Vizepräsidenten Nami Kim (Korea) und Ivor Lehotan (Slowakei) dem Entscheidungs-Gremium an.

Das war passiert: Björndalen, der am Sonnabend bereits den Sprint über zehn Kilometer gewonnen hatte, war wie elf weitere Skijäger von der Jury wegen Verlassens der Strecke ursprünglich mit 60 Sekunden Zeitstrafe belegt und der zweitplatzierte Russe Maxim Tschudow als Weltmeister geehrt worden. Die Bronzemedaille in dem Chaos-Rennen ging an Björndalens Teamkollegen Alexander Os. Bestplatzierter Deutscher war Michael Rösch (Altenberg) als Neunter. Michael Greis (Nesselwang) wurde 13.

Björndalen hatte die 12,5 Kilometer lange Jagd mit 41,7 Sekunden Vorsprung vor dem Russen beendet. Beim Start wählte er jedoch einen falschen Weg, der laut Zeitmessung zwei Sekunden länger als die reguläre Strecke war. "Eine Disqualifikation hatten wir als zu hart erachtet und uns deshalb für die geringstmögliche Zeitstrafe entschieden", erläuterte Jury-Vorsitzender Norbert Baier die erste Entscheidung. "Zu dem Zeitpunkt wussten wir aber nicht, dass die falsche Strecke sogar ein kleiner Umweg war", entschuldigte er sich. Dem Protest der Norweger schloss sich das deutsche Team ebenso an wie Österreich, die USA, Polen, die Ukraine und Frankreich. "Wir haben den Antrag mit unterschrieben, weil die Ein-Minuten-Strafe im Regelwerk so nicht vorgesehen ist. Man kann die Regeln nicht einfach verbiegen", sagte Thomas Pfüller, der Generalsekretär und Mannschaftsleiter des Deutschen Skiverbandes (DSV).

Nicht ganz wohl in seiner Haut gefühlt hatte sich auch Tschudow. "Man hat nicht im Sinne des Sports, sondern der Regeln entschieden", bemerkte er nach der Siegerehrung. Die ist nun für Dienstagabend neu angesetzt. Der Russe muss dann Gold gegen Silber tauschen muss. Björndalen selbst hatte sich um den Sieg betrogen gefühlt. "Die Streckenmarkierung war nicht eindeutig", kritisierte er.

Dieser unbändige Hunger nach Erfolg hat Björndalen von seinen Konkurrenten den Namen "Kannibale" eingebracht. "Es ist diese Mischung aus Talent und dem absoluten Willen, mehr als andere zu trainieren, die ihn so einmalig macht", charakterisierte ihn einmal Norwegens Nationaltrainer Roger Grubben. Und Björndalen denkt noch lange nichts ans Aufhören. Sein Körper werde ihm schon rechtzeitig Bescheid geben, hofft er, "bisher habe ich diese Signale nicht erhalten. Ich spüre, dass ich noch ein wenig Zeit habe." Zur aktuellen Dopingsituation sagt er: "Ich bin stolz darauf, alles mit legalen Mitteln erreicht zu haben. Wenn du diszipliniert lebst und intensiv trainierst, kannst du es auch ohne Doping schaffen."