In Lykien an der türkischen Südküste genießt man Motorsegler-Kreuzfahrten der ganz entspannten Art.

Ein bisschen Schau darf schon sein, wenn man so gut gebaut ist wie Mehmet. Mit kühnem Kopfsprung vom Oberdeck taucht der Matrose ins Wasser, krault zum Ufer und bindet den schnittigen Dreimaster von einer dicken Kiefer los. Der Anker ist schon gelichtet: Auch der schönste Badestopp in der lauschigsten Bucht hat mal ein Ende, aber es werden mit Sicherheit noch viele weitere folgen. Und schließlich macht gerade das ständige "Unterwegssein" den Reiz dieser Küsten-Kreuzfahrten aus, bei denen immer Land in Sicht und das Meer selten rau ist.

Wir sind mit der "Bahriyeli" unterwegs, einem Motorsegler nach bester alter Schiffsbauerkunst gefertigt. Ein großer Salon, überdachter Freibereich, Sonnendeck und zehn komfortable Kabinen bieten den 20 Gästen viel Bewegungsfreiheit. Für echte Segelfans sind diese Kreuzfahrten allerdings nicht gedacht. Das gilt für alle touristisch genutzten Motorsegler: Die Schiffe sind zu schwerfällig zum Kreuzen und stellen sich unter vollen Segeln meist nur einmal pro Törn zur Schau. Wir sind dennoch zufrieden, wollen ausgiebig lesen, träumen, reden und schwimmen, schwimmen, schwimmen - dort, wo das Wasser glasklar oder karibikblau an die Planken gluckst.

Spätnachmittags in der Bucht von Kekova. Längst sind die Ausflugsboote mit den Tagestouristen aus dem Dörfchen Simena abgezogen, warten die Fischrestaurants an der Mole mit blank gescheuerten Tischen auf den nächsten Tag und neue Gäste. Simena, dieses Felsennest gegenüber der unbewohnten Insel Kekova, ist nur vom Wasser aus erreichbar - und ein hübscher Ankerplatz vor der abwechslungsreich zerfransten Küste. Wie in den Hügel gemeißelt, kleben die wenigen Häuser am Hang, überragt von den Zinnen einer mittelalterlichen Burg. Aus dem seichten Wasser schimmern antike Mauerreste einer versunkenen Stadt herauf, irgendwo führen Treppen ins Nichts. Ein Sarkophag spiegelt sich wie selbstverliebt im Meer. Rings um den Ort liegen noch viele dieser tonnenschweren steinernen Zeitzeugen im hügeligen Gelände zwischen Macchia und Olivenbäumen verstreut. Nekropolen und Felsengräber des geheimnisvollen lykischen Volkes werden uns häufig auf der Tour begegnen.

Doch auch, wenn man immer wieder mit der Vergänglichkeit des Seins konfrontiert wird - die leiblichen Genüsse kommen garantiert nicht zu kurz. Wie auf der Dachterrasse der einfachen "Lokanta" im Schatten des Kastells: Den Sonnenuntergang beim ersten Glas Wein genießen und entspannt der Köstlichkeiten harren, mit denen der Wirt seine Gäste verwöhnt. Vorspeisen, dass sich die Tische biegen, dann Variationen vom Octopus oder geschmortes Lamm mit Okraschoten. Himmlisch - zumal unser Schiff nur ein paar Schritte entfernt an der Mole liegt.

Überhaupt: Das Essen hat auf unserer eher rustikalen Kreuzfahrt einen hohen Stellenwert, wenngleich es Welten von den Buffet-Orgien der Musikdampfer entfernt ist. Cemil, der Koch, zaubert in seiner Kombüse ehrliche, bodenständige Gerichte: viel Salat und frisches Gemüse in im- mer neuen Variationen. Und weil es so gut klingt und ebenso gut schmeckt, gehört Imam Bayildi ("der Imam fiel in Ohnmacht"), mit Hackfleisch gefüllte Auberginen, zu unseren Favoriten.

Kapitän Halil kennt jede Bucht zwischen Izmir und Antalya - und steuert für seine Gäste stets die feinste an. Da ist zum Beispiel der pinienumrahmte kleine Kiesstrand, der nur uns ganz allein gehört, oder der Ankerplatz vor ockerfarbener Felswand mit Tropfsteingrotten, in denen zahllose Vögel nisten. Überraschend auch die flache Bucht, in die ein eisiger Gebirgsfluss mündet, der den Schwimmern heiß-kalte Wechselbäder beschert.

Und natürlich dieses absolute Zauberfleckchen, irgendwo versteckt im Golf von Fethiye. In einem runden Gumpen vor steiler Felswand spielen wir prustend Wasserballett, als ein schnittiger Flitzer aus der Nachbarbucht herandüst. Das Ansinnen der blendend weiß livrierten Herren scheint unseren Halil mächtig zu amüsieren. Ob er, Kapitän und Eigner der "Bahriyeli", des - bitte sehr - schönsten Dreimasters vor der türkischen Küste, also, ob ausgerechnet er diese versteckt in die Felsen geschmiegte Traumbucht nicht vielleicht jener Yacht dort drüben überlassen wolle. Es sei Prominenz an Bord.

Kapitän Halil will nicht. Schließlich sind ihm seine Gäste wichtiger als irgendein Superstar. So müssen sich Tina Turner & Friends bis zum nächsten Morgen gedulden, um diesen tatsächlich promi-geeigneten Schlupfwinkel zu besetzen.

So eindrucksvoll die lykische Küste vom Wasser her ausschaut, so viel hat sie auch an Land zu bieten: Felsengräber, Tempel, griechisch-römische Stätten und Theater. Nach herrlich faulen Tagen an Bord ist eine kräftige Prise Kultur hochwillkommen. Abwechslung bringt ein Ausflug zu den großartigen Felsengräbern in der Schilflandschaft des Dalyan-Deltas oder der Besuch beim Heiligen Nikolaus von Myra. Die mächtige antike Ruinenstadt war in römischer und byzantinischer Zeit ein wichtiger Seehandelshafen. Hier wirkte im 4. Jahrhundert der Heilige Nikolaus, Beschützer der Armen und Kranken, als Bischof. Schon früh rankten sich Legenden um den mildtätigen Mann. Nach seinem Tod wurde Myra zum Wallfahrtsort, an dem viele Wunder geschehen sein sollen.

Besondere Würze bringen die etwas mühsam zu erobernden Ausgrabungsstätten. Pinara zum Beispiel, einst mächtige Stadt des Lykischen Bundes, liegt tief in den Bergen versteckt. Mühsam quält sich der gecharterte kleine Bus eine Schotterpiste hoch. Schon von weitem fasziniert die rund 700 Meter hohe Felskuppe der Akropolis, die mit Hunderten von Grabkammern wie eine Wabe durchlöchert ist.

Das letzte Stück steigen wir zu Fuß steil durch ein oleandergesäumtes, trockenes Bachbett auf das Hochplateau. Pinien, Ginster, Thymian und Rosmarin wachsen zwischen Mauerresten und Bögen der antiken Stadt. Dahinter steigt die senkrechte Wand dieser einmaligen Felsnekropole auf. Tief unten, an einen Hang geschmiegt, liegt das Halbrund des hervorragend erhaltenen Theaters, das erst kürzlich völlig ausgegraben wurde. In nicht weniger prächtiger Berglandschaft beeindruckt Arykanda, das "Delphi" Lykiens. Über Terrassen erstreckt sich die weitgehend unberührte Stadt mit ausgegrabenen Thermen, Theater und Stadion. Hitze flimmert über dem einsamen Ort, wilde Bienen summen durch duftende Kräuter, über dem Tal zieht ein Adlerpaar weite Kreise - eine Stimmung, die Lust macht, doch einmal im alten Homer zu schmökern, der in seiner Ilias vom "reichen Volk des lykischen Landes" schwärmt.

Dann wieder Marmaris, quirliger Start- und Endpunkt unserer Kreuzfahrt. Nach sanft dahinfließenden Tagen und stillen Nächten unterm Sternenzelt wirkt der beliebte Ferienort fast großstädtisch. Vor dieser glitzernden Kulisse träumt sich in der letzten Nacht an Bord so mancher Kreuzfahrer zurück in eine der Zauberbuchten - vielleicht zu den geheimnisvollen Tropfsteinhöhlen, zur versunkenen Stadt oder an den von Pinien beschatteten Kieselstrand.