Die Forscher aus 130 Nationen sind sich einig: Der Mensch ist für den Klimawandel verantwortlich - und wird die negativen Folgen ertragen müssen.

Paris. "In dieser Stunde der Pressekonferenz zum neuen IPCC-Klimabericht werden 9000 Kinder geboren. Es ist entscheidend, ob sie in Europa, Afrika oder Asien das Licht der Welt erblicken. Ein 2007 geborenes afrikanisches Kind wird bis zu seinem 50. Lebensjahr möglicherweise unter Dürren und neuen Krankheiten leiden oder sogar seine Heimat verlassen müssen. Denn 30 Prozent der afrikanischen Küsten-Infrastruktur könnte bis Ende des 21. Jahrhunderts unter Klimafolgen leiden. Ein Kind in Asien wird im Laufe seines Lebens vielleicht zum Flüchtling, weil das Land, auf dem es lebt, regelmäßig überflutet wird." Mit diesen Worten zeichnete Achim Steiner, Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Unep, am Freitag in Paris eine düstere Zukunft - und erweckte das Zahlenwerk damit zugleich zum Leben.

Die wissenschaftlichen Daten lesen sich wesentlich nüchterner. Die globale Temperatur wird in diesem Jahrhundert voraussichtlich um zwei bis 4,5 Grad ansteigen, je nach Entwicklung des Treibhausgasausstoßes. Dies zeigen Computerszenarien, die unterschiedliche, aber relativ wahrscheinliche Wachstumsraten von Bevölkerung und Wirtschaft sowie technologische Fortschritte zugrunde legten. Insgesamt flossen 58 Simulationen von 14 verschiedenen Klimamodellen in den Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) ein. Als genaueste Schätzung nennt der Bericht einen Temperaturanstieg von drei Grad, und weiter heißt es: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es weniger als plus 1,5 Grad werden, Werte deutlich über 4,5 Grad können jedoch nicht ausgeschlossen werden."

Eine wärmer werdende Welt wird das Leben vieler Menschen beeinflussen. Besonders spürbar wird dies in der Arktis; sie erwärmt sich nach dem Bericht, an dem 600 Wissenschaftler aus 40 Ländern mitwirkten, doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt. Die Folgen zeigen sich schon heute und werden sich verschlimmern: Häuser und Straßen versinken in auftauendem Permafrostboden, winterliche Jagdrouten werden lebensgefährlich, weil das Eis nicht mehr hält.

Eine unklare Zukunft liegt auch vor den Bewohnern kleiner Inselstaaten und der Küsten. Zwischen 1961 und 2003 stieg der Meeresspiegel pro Jahrzehnt im globalen Durchschnitt um 1,8 Zentimeter; zwischen 1993 und 2003 waren es schon 3,1 Zentimeter. Damit erhöht sich die Gefahr von Sturmfluten. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts könnte der Meeresspiegel um bis zu 59 Zentimeter steigen, lautet das Ergebnis eines pessimistischen Szenarios. Richtig beunruhigend wird ein Rückblick in die Klimageschichte: Eisbohrkerne zeigen, dass vor etwa 125 000 Jahren die Temperaturen am Pol drei bis fünf Grad höher waren als heute, vermutlich ausgelöst durch Veränderungen der Erdbahn. Das damalige Temperaturniveau entspricht in etwa den Prognosen für dieses Jahrhundert - der Meeresspiegel lag damals vier bis sechs Meter höher als heute . . .

Auch im Landesinneren ist der Wandel spürbar. Intensivere und länger anhaltende Dürren suchen seit den 70er-Jahren vor allem Subtropen und Tropen heim. Sie werden zunehmen. "Der Klimawandel des 21. Jahrhunderts wird stärker ausfallen als der des 20. Jahrhunderts", warnt Susan Solomon, eine der Vorsitzenden der IPCC-Arbeitsgruppe zur Analyse des Klimawandels.

Der Trend zu mehr Trockenheit sei bereits in der Sahelzone, dem Mittelmeerraum, Südafrika und einigen Teilen Südasiens spürbar und werde weiter fortschreiten, so der Bericht. Andererseits haben die Niederschläge in Nordeuropa, Nord- und Zentralasien sowie in östlichen Teilen Nord- und Südamerikas deutlich zugenommen. Auch diese Entwicklung werde sich noch verstärken.

Auch Temperaturextreme liefern schon heute vermehrt Schlagzeilen. Die IPCC-Wissenschaftler registrierten über die zurückliegenden 50 Jahre eine abnehmende Anzahl kalter Tage, Nächte und Frosttage, während heiße Tage und Nächte sowie Hitzewellen häufiger auftraten.

Vieles spricht dafür, dass die Stärke von Taifunen und Hurrikanen zugenommen hat, auch wenn hier die Datenlage unsicherer ist. Viele Modelle sagen voraus, dass die tropischen Wirbelstürme stärker werden.

Deutlicher als jeder andere Bericht belegt der IPCC-Report, dass der Treibhauseffekt "sehr wahrscheinlich" vom Menschen gemacht ist. "Bei unserem dritten Bericht im Jahr 2001 betrug diese Wahrscheinlichkeit noch 66, jetzt 90 Prozent", so IPCC-Wissenschaftlerin Solomon. Die neuen Daten zeigen zudem, dass der Anteil von natürlichen Einflüssen (Sonneneinstrahlung) an der globalen Erwärmung unter zehn Prozent liegt.

Für Unep-Chef Achim Steiner steht damit fest: "Der zweite Februar 2007 wird vielleicht eines Tages als der Tag gelten, an dem das Fragezeichen beseitigt wurde, ob der Klimawandel irgendetwas mit menschlichen Aktivitäten zu tun hat. Und an dem sich stattdessen der gesellschaftliche Fokus auf die Frage richtet, was wir tun können, um den Klimawandel zu bekämpfen."