Liebe Katharina,

ganze acht Jahre bist Du jetzt schon alt, und Dein Papa schickt Dir auf diesem Wege einen herzlichen Glückwunsch! Als klar war, daß diese Reise mit der "Meteor" mal wieder während Deines Geburtstages laufen wird, warst Du traurig und hast zu mir gesagt, daß ich nie zu Deinem Ehrentag da bin. Das hat mich sehr getroffen, denn du hast natürlich recht: Auch vor drei Jahren war ich mit diesem Schiff und im Jahr danach mit der "Sonne" zu dieser Zeit im Pazifik unterwegs. Auch Deine Geburt habe ich fast verpaßt, weil ich einen Vortrag über meine Arbeit in Amerika halten mußte.

Deine Mama und mich verbindet mit der "Meteor" etwas Besonderes, denn wir haben uns auf diesem Schiff kennengelernt, im Sturm in der Barentssee, wo das Schiff stark vereiste und beinahe gekentert wäre. Hier kann so etwas zum Glück nicht passieren. Das Meer ist warm, und wir machen einen großen Bogen um die vielen Stürme.

Die Reise damals war die bisher einzige Fahrt von Mama auf einem großen Forschungsschiff. Vorher hatte sie immer nur mit kleinen Würmern im Matsch von Nord- und Ostsee sowie im Mittelmeer gearbeitet. Somit verbindet uns die Seefahrt, und seitdem versteht Mama aber auch, was ich hier an Bord mache. Damit Du das auch verstehen kannst, möchte ich Dir ein wenig erklären, was wir hier eigentlich machen. Wir arbeiten im Pazifischen Ozean vor Mittelamerika, wo der Meeresboden in Richtung Festland geschoben wird. Dabei wird der Meeresboden nach unten gedrückt und schiebt sich unter das feste Land. Beide Seiten - Meeresboden und das Küstenland - werden dabei verändert: Der Meeresboden bildet einen tiefen Graben, das Land wird gedrückt und bildet Berge und Vulkane.

Gleichzeitig wird der Meeresboden mit seinem ganzen flüssigen Schlamm wie ein Schwamm ausgepreßt. Das ausgepreßte Wasser enthält bestimmte Gase, eines davon ist Methan. Methan entsteht, wenn Bakterien zum Beispiel Pflanzenreste aufessen. Das tun sie auch in unserem Darm und natürlich ganz besonders bei reinen Pflanzenfressern wie den Kühen. Wenn die dann pupsen, gelangt das Methan wieder nach draußen. Man kann das dann auffangen und zum Beispiel anzünden. Umgekehrt wird das Methan von anderen Bakterien weitergenutzt. Dies spielt im Meeresboden und im Meerwasser eine große Rolle, bloß weiß man noch gar nicht so genau, wieviel Methan wo am Meeresboden gebildet wird und wieviel davon ins Wasser und vielleicht auch in die Luft gelangen kann.

An Land kann man das recht leicht beobachten und messen, im tiefen Meer ist dies aber viel schwerer zu machen. In der Tiefsee ist es dunkel, kalt, und es herrscht dort ein starker Druck. Wir arbeiten ungefähr in 2000 Meter Tiefe, das ist der Weg zu deiner Schule hin und zurück. In dieser Tiefe herrscht ein Druck von 200 bar, das sind 200 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Soviel wiegt wohl eine dicke Kuh, und wenn diese Kuh einen Schuh tragen würde, mit dem sie Dir auf den Fuß treten würde, dann ist das ungefähr der Druck in dieser Tiefe. So tief kann natürlich kein Mensch einfach tauchen, daher brauchen wir bestimmte Geräte, die wir vom Schiff am Draht herablassen können.

Dein Papa arbeitet mit solchen Geräten, die wie eine Mondlandefähre auf dem Meeresboden landen und dort Messungen durchführen können. Wir sagen dem Gerät vorher genau, was es zu tun hat, und wenn es dann wieder an die Oberfläche zurückkommt, bringt es uns Proben und Meßwerte mit. Diese können wir dann hier an Bord in den Labors untersuchen. Diesmal haben wir aber noch ein besonderes Gerät dabei: einen Tiefseeroboter. Dieser hat zwei Arme und ganz viele Scheinwerfer und Kameras. Er ist über ein langes Kabel mit dem Schiff verbunden und kann von den Piloten ganz bequem gesteuert werden. Er hat viele Propeller, ist also sehr beweglich und kann mit seinen beiden Armen ganz gezielt Proben vom Meeresboden oder aus dem Wasser nehmen.

Dies ist wichtig, denn das Methan steigt nur an bestimmten Stellen aus dem Meeresboden auf. Dort leben weiße Bakterien oder Muscheln, die Bakterien in ihrem Körper haben und von dem Methan leben. Die packt der Roboter in eine Schublade, dann kann er sie nach oben zu uns bringen. Mit dem Roboter will Papa auch seine Geräte ganz genau am Meeresboden absetzen und dort hinkommen, wo seine Mondlandefähren nicht arbeiten können. Das ist eine tolle Möglichkeit, die wir nur selten bekommen, und daher war es für mich so wichtig, an dieser Reise teilzunehmen. Ich hoffe, Du kannst nun etwas besser verstehen, warum ich hier bin und nicht bei Dir.

Ich drück' Dich doll, Dein Papa.